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Sieben Frauen
belasten Arzt

Experte: »verbotene Doktorspiele«

Von Christian Althoff
Enger (WB). Vor dem Bielefelder Landgericht haben sieben Patientinnen ihrem früheren Frauenarzt schwere Vorwürfe gemacht. Dr. Eberhard S. (66) aus Enger (Kreis Herford) muss sich dort seit gestern wegen sexuellen Missbrauchs einer Patientin verantworten.

Der Gynäkologe, dessen Approbation auf Anordnung der Bezirksregierung ruht, war bereits vor einem Jahr vom Amtsgericht Herford in dieser Sache zu neun Monaten Haft und einem fünfjährigen Berufsverbot verurteilt worden. Das Gericht war der Überzeugung, dass der Arzt die Patientin Janette G. (22) bis zu vier Minuten lang an ihrer empfindsamsten Stelle gestreichelt und sie anschließend gebeten hatte, ihn im Intimbereich zu rasieren.
Gegen dieses Urteil war der Arzt in die Berufung gegangen. Vor dem Landgericht gab er gestern zu, die Patientin um eine Intimrasur gebeten zu haben. Er habe aber nicht versucht, sie zu stimulieren, sondern die Frau »ganz normal untersucht«. Das konnte der vom Gericht beauftragte Gutachter Prof. Dr. Wolfgang Friedmann, Chefarzt der Frauenklinik Bremerhaven, allerdings nicht nachvollziehen. »Wenn ich ertasten will, ob eine Frau einen Klitoris-Tumor hat, brauche ich dafür höchstens fünf Sekunden. Ich kenne keine Krankheit, bei der ein minutenlanges Abtasten oder Streicheln dieses Bereichs notwendig ist«, erklärte der Mediziner, der von »unzulässigen Doktorspielen« sprach.
Neben Janette G. belasteten gestern sechs weitere Zeuginnen den Arzt. »Allerdings sind ihre Fälle verjährt und deshalb nicht mit angeklagt«, erklärte Oberstaatsanwalt Klaus Roewer. Eine Lehrerin (51): »Mich berührte er bei einer Untersuchung acht Mal unsittlich.« Eine Sozialarbeiterin (28): »Er bot mir Kaffee und Zigaretten an und fragte, ob ich ihn im Intimbereich rasiere.« Eine Filialleiterin (45): »Er streichelte mich und bot mir Geld für eine Intimrasur an.« Eine Industriekauffrau (34): »Er küsste mich auf die Wange, bot mir eine Zigarette an und wollte sich von mir rasieren lassen.« Die Frauen hatten sich sofort einen anderen Arzt gesucht, aber erst Anzeigen erstattet, nachdem sie vom Fall Janette G. gelesen hatten. Die damals ermittelnde Kriminalbeamtin aus Herford sagte aus, sie habe noch viel mehr mutmaßlich betroffene Patientinnen am Telefon gehabt: »Aber die meisten haben sich dann doch nicht getraut, vorbeizukommen und Anzeige zu erstatten.«
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Lerch riet dem Angeklagten eindringlich, seine Berufung zurückzuziehen und das Urteil des Amtsgerichtes zu akzeptieren. Doch Dr. Eberhard S., dessen Praxis längst insolvent ist, will weiterkämpfen und hat beantragt, dass das Gericht am nächsten Prozesstag (2. Februar) eine frühere Sprechstundenhilfe hört: »Die kann bestätigen, dass nie etwas gewesen ist!«

Artikel vom 18.01.2006