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Verbittert, traurig, einsam

Ben Becker ist »Ein ganz gewöhnlicher Jude«


Mit diesem Filmmonolog wird Erfolgsregisseur Oliver Hirschbiegel (»Der Untergang«) erneut für Gesprächsstoff sorgen: »Ein ganz gewöhnlicher Jude« ist ungewöhnlich, unerwartet und sehenswert. Eindringlich und mit beeindruckender Präsenz spielt Ben Becker den Hamburger Journalisten Emanuel Goldfarb, der vor einer Schulklasse über sein Leben als Jude in Deutschland sprechen soll. Voller Widerwillen formuliert er eine Absage und spricht seine Begründung in ein Diktiergerät. 90 Minuten lang rechnet er ab: mit sich, mit seiner Umwelt, mit Deutschland und mit seinem Leben.
Goldfarb sitzt in seiner Hamburger Wohnung und sucht nach Worten: »Ich will die Sonderrolle nicht haben. Nicht im Schlechten und nicht im Guten. Ein ganz gewöhnlicher Mensch möchte ich sein. Ein ganz gewöhnlicher Jude«, spricht er auf Band. Es folgen eindringliche Sätze, allesamt druckreif und voller Zündstoff. »Die permanente Solidarität geht mir auf die Nerven. Ich kann Leute nicht ausstehen, die morgens nach dem Aufwachen immer erst mal zehn Minuten solidarisch sind, bevor sie Zähne putzen.« Goldfarb provoziert, er ist verbittert und selbstgerecht, traurig und einsam.
Auf das gleichnamige Buch von Charles Lewinsky war Hirschbiegel bereits vor drei Jahren gestoßen, hatte es wegen anderer Projekte aber zunächst beiseite gelegt. »Ich mochte die Figur sofort und fand den Text absolut notwendig und längst überfällig«, erzählt der Regisseur. »Es gibt diese seltsame deutsch-gründliche Befindlichkeit im Umgang mit den Juden, die mich immer genervt hat. Es gibt Dinge, die gesagt gehören, im Guten wie im Schlechten. Goldfarb schont ja keine Seite.«
Ben Becker, der »junge Wilde« unter Deutschlands Schauspielern, stand schnell für die Rolle Goldfarbs fest, auch wenn er den in Berlin lebenden Star erst überzeugen musste. »Ich habe mich bei ihm beworben«, sagt Hirschbiegel, der gerade in den USA einen neuen Streifen mit Hollywood-Star Nicole Kidman abgedreht hat. Der stämmige blonde Becker sei für ihn zwar die sperrigste, aber auch spannendste Besetzung gewesen.

Artikel vom 19.01.2006