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Vier Jahrzehnte lang gestichelt

Ältestes deutsches Amateurkabarett präsentiert Programmhöhepunkte

Von Dietmar Kemper
Minden (WB). Drei Schränke voll mit Texten stehen im Keller von Birger Hausmann. Er hat Deutschlands ältestes Amateurkabarett, die »Mindener Stichlinge«, gegründet. In diesem Jahr feiert das Ensemble seinen 40. Geburtstag mit 60 Auftritten in Ostwestfalen-Lippe.
Die Stichlinge (von links): Wolfgang Freitag, Birger Hausmann, Jürgen Juchtmann, Dietmar Möller, Rolf Mietke, Dieter Fechner, Uschi Umbach, Kirsten Gerlhof und Wolfgang Freitag.

Vom 3. Februar bis Ende Mai sind die Kabarettisten auf Tournee, hinzu kommt eine ganze Woche Ende Juli auf Sylt. In 39 Jahren sammelte sich jede Menge Papier an. Aus den besten Texten haben die Stichlinge ihr neues Programm »40 Jahre Revue passiert« zusammengestellt. »Vieles, was wir als Satire geschrieben haben, ist Wirklichkeit geworden«, sagte Birger Hausmann (63) gestern dieser Zeitung. Schon 1979 habe man den letzten Arbeiter im Museum ausgestellt und damit das Problem massenhafter Erwerbslosigkeit vorweggenommen.
Parteipolitisch einseitig agierten die Stichlinge rund um ihr ältestes Mitglied Dieter Fechner (68) nie. »Wir teilen unsere politischen Spitzen nach allen Seiten aus, vielleicht ist das mit ein Grund dafür, dass wir so lange überlebt haben«, philosophiert Hausmann. In der Gründungszeit im April 1966 sei er sich wie »ein kleiner Rebell« vorgekommen, beseelt von dem Wunsch, die Welt zu verändern. Dabei sollten Kabarettisten nicht belehrend daher kommen, weiß Hausmann heute. So wie seine Mitstreiter versucht er, das Komplizierte in der Welt satirisch aufzuspießen und auf einfache Wahrheiten zurecht zu stutzen. Hausmann: »Wenn mir nach der Vorstellung ein Maurer sagt, dass er bestimmte Zusammenhänge so nicht kannte, freut mich das.«
In 40 Jahren enterten 66 Akteure im Namen der »Mindener Stichlinge« die Kabarettbühnen. Die Auftritte des Ensembles waren oft professionell, der Status war es nie. Die »Mindener Stichlinge« sind stets Amateure geblieben. »Die Goldfische, die ich halte, muss ich selbst bezahlen«, drückt Leiter Birger Hausmann den Anspruch aus, dank eigener Kraft klar zu kommen und nicht auf Subventionen angewiesen zu sein.
Die Kosten zu decken, fällt heute gleichwohl viel leichter als in den ersten Jahren, als die »Stichlinge« noch keine feste Kleinkunst-Größe darstellten. Der erste Auftritt am 13. April 1966 im Haus der Jugend in Minden begann mit einer Panne. Ein Akteur kam zu spät zur Vorstellung, weil er dachte, sie beginne nicht um 20, sondern erst um 21 Uhr. Zur Besetzung der ersten Stunde gehörte übrigens die spätere Bundesjustizministerin Sabine Leuthäuser-Schnarrenberger.
Wie lange es die »Mindener Stichlinge« geben wird, weiß Birger Hausmann nicht. Kabarett-Altmeister Hans-Dieter Hüsch wünschte dem Ensemble die Goldene Hochzeit. »Das Lampenfieber geht nicht weg«, ist Hausmann immer noch vor jedem Auftritt nervös. Das Geburtstagsprogramm können die Kabarettfreunde in OWL unter anderem in Preußisch Oldendorf (1. März), Salzkotten (22. März), Espelkamp (28. März), Bad Oeynhausen (6. bis 8. April), Bielefeld (28. April), Lübbecke (4. Mai), Paderborn (8. Mai) und Bünde (11. Mai) erleben.

Artikel vom 18.01.2006