28.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jetzt geht's endlich nach Amerika

Biochemiker Christoph Hutter aus Steinhagen hat seine Krebskrankung überwunden

Von Annemarie
Blum-Weinhold
Steinhagen (WB). Die Koffer sind fast gepackt, Amerika zum Greifen nah: Ein Projekt in der Immunologie-Forschung ruft den jungen Doktoranden Christoph Hutter an die Emory University von Atlanta. Doch dann im September die schlimme Nachricht: Krebs. Amerika rückt in weite Ferne. Aber nur zunächst. Denn mit kühlem Kopf und Zuversicht hat der 33-Jährige aus Steinhagen die Krankheit überwunden.

Natürlich war da Angst. »Aber ich habe nie befürchtet, dass wirklich etwas passiert. Es war ja auch nicht alles nur schrecklich, sondern auch sehr interessant«, sagt Christoph Hutter. Eine Sichtweise, die berufsbedingt sein mag: Schließlich hat sich der diplomierte Biochemiker seit drei Jahren an der Uni in Halle/Saale mit der Kinderkrebsforschung beschäftigt. »Bislang habe ich immer alles dafür getan, andere zu heilen. Jetzt macht man selbst ganz unmittelbar Erfahrungen«, sah er seinen Forscherdrang geweckt. Zudem: »Mein medizinisches Wissen, die Kenntnis um Therapien, Medikamente und deren Dosierungen haben mir natürlich geholfen, die Schwere meiner Krankheit einzuschätzen.« Und da kam er zu dem logischen Schluss: »Eigentlich bist du immer noch gut dran.«
Zuversicht gaben bekannte Fälle: Die eigene Mutter, die vor 20 Jahren eine Krebserkrankung überwand, und Radsportler Lance Armstrong, der nicht nur den Krebs besiegte, sondern auch die »Tour de France« gewann. Christoph Hutters Diagnose lautete auf Hodenkrebs: »Da ist die Heilungsrate sehr gut«, bestätigten die Ärzte dem jungen Wissenschaftler. Der hatte auch umgehend - und damit rechtzeitig - gehandelt, als er Anfang September Veränderungen bemerkte. Und das war gut: Innerhalb von zehn Tagen war der Tumor erkannt und operiert. Niemandem hatte er zunächst etwas von seiner Erkrankung erzählt. Auch nicht seiner Mutter, die im Urlaub weilte und nach ihrer Rückkehr nur den Frischoperierten aus dem Krankenhaus abholen durfte.
Metastasen hatte der Tumor glücklicherweise nicht gestreut, dennoch entschied sich der Steinhagener zur Chemotherapie. Nicht nur, weil die Heilungschancen dadurch bei 97 Prozent liegen: »Sondern weil ich einfach auch alles erledigt haben wollte«, hatte er sich seine Forschungen in den USA noch nicht aus dem Kopf geschlagen und sogar - wissenschaftlich nüchtern und sehr weitsichtig - Bilder für den Reisepass anfertigen lassen, bevor die Chemo-Spritzen die Haare zum Ausfallen brachten: »Mit Fotos mit kahlem Kopf hätten die mich doch nie einreisen lassen.«
Der Gedanke an Atlanta, der plötzlich so unsicher geworden war, habe ihn dennoch motiviert, alle nötigen Schritte sofort in Angriff zu nehmen. Mut machte auch der Sport: Handball in der Spvg. Steinhagen. Das Training der weiblichen D-Jugend II hat er die ganze Zeit aufrecht erhalten, seit Ende November spielt Christoph Hutter auch selbst wieder. »Der Sport hilft natürlich, sich aufzuraffen, sich bloß keine Schwäche zu geben.« Obwohl der junge Steinhagener nur wenig unter Nebenwirkungen der Therapie zu leiden hatte, gab es natürlich Tiefpunkte: Nach der zweiten Chemo etwa, als er so schlapp und träge war. Treffen mit Freunden, Abende in der Kneipe, Feten - vergnüglich auch mit Apfel-Schorle - haben ebenfalls geholfen: »Das hat abgelenkt, und es gibt nichts Schlimmeres als zu Hause herumzuhängen.«
Seit Anfang November ist auch die Chemo beendet und das Kapitel Krebs für Christoph Hutter - von den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen abgesehen - eigentlich erledigt. Die Haare sprießen seit Weihnachten wieder. Und seit Wochen feilt der 33-Jährige an den Details seiner Promotion. »Die Doktorarbeit muss fertig sein vor Amerika«, sagt er. Denn die Stelle in Atlanta hat auf Christoph Hutter gewartet. Im Frühjahr geht er für zwei bis drei Jahre in die USA.

Artikel vom 28.01.2006