18.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schröder, Schily und Fischer in
politische Schusslinie gerückt

Untersuchungsausschuss über Geheimdienst-Aktivitäten zumindest heikel

Von Helmut Reuter
Berlin (dpa). Schon vor der eigentlichen Entscheidung über einen BND/CIA-Untersuchungsausschuss wirbelte das Thema den Terminplan von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kräftig durcheinander.
Der von der vereinigten Opposition angekündigte Untersuchungsausschuss erhöht den Druck auf Frank-Walter Steinmeier, den gerade 50 Jahre alt gewordenen Sozialdemokraten im Außenamt.

Er verschob kurzerhand den Großteil seiner Nahostreise, um an der für Freitag angesetzten Debatte zur Rolle des Bundesnachrichtendienstes während des Irak-Krieges teilzunehmen. Das Thema erschien dem früheren Kanzleramtschef und Verantwortlichen für die Geheimdienste zu brisant, um es lediglich aus der Ferne zu verfolgen. In der Schusslinie steht aber nicht nur Steinmeier, sondern auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Ex-Innenminister Otto Schily (beide SPD) und Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne).
Alle drei Oppositionsfraktionen sprachen sich für die Einrichtung des Untersuchungsausschusses aus. Bei den Grünen stemmte sich Fischer vehement gegen die Entscheidung. Die schärfste Waffe des Parlaments zur Regierungskontrolle soll »Aufklärung und Transparenz« bringen - ausgerechnet in einem hochsensiblen Bereich. Die Einrichtung des Gremiums ist sicher, denn das notwendige Minimum von einem Viertel aller Abgeordneten steht. Unklar ist aber noch der auszuhandelnde Untersuchungsgegenstand und damit die Stoßrichtung.
Im Mittelpunkt stehen die Aktivitäten zweier BND-Agenten, die 2003 während des Irak-Krieges mit Wissen der Bundesregierung in Bagdad blieben. Die Frage ist, ob die beiden Informationen an den US-Militärgeheimdienst DIA weitergaben, und damit wissentlich oder unbewusst bei der Zielfindung für US-Bomber mithalfen. Dies wäre äußerst prekär, da sich Schröder und Fischer zur gleichen Zeit in Deutschland als prominente europäische Gegner des Irak-Krieges gaben.
Die FDP, die mit dem späteren Außenminister Klaus Kinkel auch schon einmal einen BND-Chef stellte, machte klar, dass sie die Rolle der BND-Agenten nicht im Mittelpunkt der Untersuchungen sieht. Auch will sie einen anti-amerikanischen Tenor vermeiden. Das Ziel: »Am Ende muss eine neue Leitlinie für einen rechtsstaatlichen Umgang mit der Sicherheitspolitik stehen«, formulierte FDP-Innenexperte Max Stadler.
Die Opposition verlangt Klarheit darüber, unter welchen Umständen der Deutsch-Libanese Khaled el Masri 2003/2004 von der CIA von Mazedonien nach Afghanistan verschleppt wurde. Auch die Vernehmung des in Syrien inhaftierten deutschen Staatsbürgers Mohammed Haidar Sammar durch BKA-Beamte wird vermutlich eine Rolle spielen. Klärungsbedarf wird auch bei den CIA-Gefangenenflügen und bei mutmaßlichen CIA-Verhörgefängnissen in Europa bestehen.
All das sind Themen, die für einen Untersuchungsausschuss nicht gerade prädestiniert sind. Nach Artikel 44 Grundgesetz sollen die erforderlichen Beweise in öffentlicher Verhandlung erhoben werden. Die Sitzungen, die sich direkt mit der Arbeit des BND befassen, dürften aber allesamt nicht öffentlich werden. Unwahrscheinlich ist auch, dass die CIA Mitarbeiter in einen deutschen Untersuchungsausschuss schickt.
Der Ausschuss-erprobte SPD-Politiker Volker Neumann schüttelt deshalb nur verständnislos den Kopf: »Das macht keinen Sinn, weil das alles geheim ist und die Quellen gefährdet sind. Und das ist tödlich im Irak.« Zudem würden die Beziehungen zu anderen Nachrichtendiensten gefährdet. »Und das wäre tödlich für unser Nachrichtenbeschaffung, weil wir auf die Zusammenarbeit angewiesen sind.«
Neumann, der unter anderem den Spenden-Ausschuss leitete und Vize-Vorsitzender im Visa-Ausschuss war, weiß aus Erfahrung, dass der Inhalt nicht-öffentlicher Sitzungen letztlich gar nicht geheim gehalten werden könne.

Artikel vom 18.01.2006