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Präsident zieht eine
ganz kritische Bilanz

Neujahrstreffen des Anwaltvereins: Lösungen gesucht


Von Uwe Koch und
Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (uko). Der Bielefelder Anwaltverein geht mit der Werbeoffensive »Vertrauen ist gut, Anwalt ist besser« in das Jahr 2006. Vorsitzender Klaus Heise proklamierte anläßlich des Neujahrsempfangs seiner Vereinigung die Losung. Überdies stellte Professor Armin Hatje, Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität, den Studiengang »Management für Juristen« vor.
Ab dem 1. Juli wird Landgerichts-Präsident Uwe Jürgens in den Ruhestand gehen. Für Klaus Heise ist diese Vision (noch) unvorstellbar: »Das können wir gar nicht aushalten . . .« Gleichwohl zog Jürgens eine pessimistische Bilanz des Zustandes der Bielefelder Gerichtsbarkeit. Allein der Stellenabbau bei Richtern und Staatsanwälten sei »das falsche Signal«. Selbst der Bundesgerichtshof (BGH) habe in einer Anmerkung eines eigenen (!) Urteils gerügt, eine adäquate Beurteilung sei nicht möglich gewesen, da »nicht genug Ressourcen« vorhanden gewesen seien.
Es gebe trotz eines Anstiegs der Verfahren (plus 7,5 Prozent von 1999 bis 2004) immer weniger Anklagen (minus drei Prozent), die Einstellungen häuften sich. »90 Prozent der Verfahren erledigen wir schnell, doch die restlichen zehn Prozent eben zu langsam«, wetterte Uwe Jürgens vor erstaunten Richtern, Staats- und Rechtsanwälten in nie gehörter Klarheit. »Ich habe schon Bauakten gesehen, die sind länger bei Gericht als ich«, sagte der scheidende Landgerichts-Präsident, der seinen Dienst in Bielefeld 1994 angetreten hatte. Und auch die von ihm sonst so viel gepriesene Technik und Technologie »erledigt keine Akten«, meinte Uwe Jürgens resigniert. Klaus Heise propagierte mutig die Werkeaktion »Vertrauen ist gut, Anwalt ist besser«.
Immerhin habe es auch in 2005 ein Plus von sechs Prozent mehr Rechtsanwälten im Amtsgerichtsbezirk Bielefeld gegeben. Nun seien es 853 Kollegen, die sich »Sorgen um Nahrung« machen müßten. Um Mitarbeit bat Armin Hatje für das Studium »Management für Juristen«, das »gute und engagierte Juristen in die Region locken« solle.
Rechtsanwälte seien nun einmal auch freie Unternehmer, hätten mannigfaltige Kontakte zu Wirtschaftsschaffenden und könnten ein solches Studium praktisch mitgestalten. »Helfen Sie mit«, warb Hatje, der im übrigen die »gute Zusammenarbeit« mit der Bielefelder Anwaltschaft nachhaltig lobte.

Artikel vom 18.01.2006