17.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Geschichtsbuch
für zwei Länder

Im Herbst Premiere an Gymnasien

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). Erstmals erhalten Oberstufenschüler in Deutschland und Frankreich im Herbst 2006 dasselbe Geschichtsbuch. Es soll die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter vertiefen.
Jacques Chirac unterstützt das gemeinsame Geschichtsbuch.

Zum Schuljahresbeginn 2006/2007 werde der erste Band für Abiturklassen an den Gymnasien eingeführt, sagte Janna Kuchenbäcker vom Ernst-Klett-Verlag in Stuttgart dieser Zeitung. Der Band behandelt die Geschichte seit 1945. Zwei weitere Bände, die die Zeit von der Antike bis zur Romantik und die Epoche vom 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs schildern, sollen zum Schuljahr 2008/2009 vorliegen.
In Frankreich wird das deutsch-französische Geschichtsbuch vom Verlag Nathan in Paris gedruckt. Aufmachung und Inhalt sind identisch, die Texte in der französischen Landessprache gehalten. Das möglicherweise bahnbrechende Projekt eines länderübergreifenden Schulbuches geht auf die Feiern zum 40. Geburtstag des Elysée-Vertrages im Frühjahr 2003 zurück. Das von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle geebnete Abkommen beschleunigte die Versöhnung zwischen beiden Staaten. Um das gegenseitige Verständnis in der Schule weiter zu fördern, sprachen sich die Regierungen Schröder und Chirac für ein deutsch-französisches Geschichtsbuch aus.
Das Autorenteam, das aus vier französischen und vier deutschen Geschichtslehrern besteht, hat die Arbeiten zu Band 1 abgeschlossen. Der Herausgeber Peter Geiss sagte gestern dieser Zeitung: »Wir brechen den nationalen Rahmen auf und gehen stärker von den europäischen und globalen Entwicklungen aus.« Trotz besonderer Berücksichtigung der geschichtlichen Eigenarten in den beiden Ländern und der unterschiedlichen Sichtweisen auf Ereignisse wie die Resistance im von den Nazis besetzten Paris, den Algerienkrieg oder die Wiedervereinigung wird Wissen über Frankreich und Deutschland hinaus vermittelt. Das Autorenteam versuchte einen Mittelweg zwischen den unterschiedlichen pädagogischen Prämissen auf beiden Rheinseiten zu finden. Peter Geiss (34), Geschichts- und Französischlehrer am Friedrich-Ebert-Gymnasium in Bonn: »Während die Schüler in Frankreich im Unterricht stark geführt werden, stehen in Deutschland Meinung und Urteilsvermögen im Vordergrund.«
Der Deutsche Lehrerverband begrüßt gemeinsame Geschichtsbücher. »Wir müssen wegkommen von der Ausrichtung auf nationale Geschichten und sollten statt dessen den roten Faden der gemeinsamen Geistes- und Kulturgeschichte darstellen«, sagte der Vorsitzende Josef Kraus dieser Zeitung. Gleichwohl müsse noch Platz für regionale Geschichte übrig bleiben. Das deutsch-französische Buch werde im Grenzgebiet sicherlich auf große Resonanz stoßen, ist Kraus überzeugt. Trotz der Empfehlung der Bundesregierung entscheiden die Gymnasien, welche Bücher sie für den Unterricht anschaffen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 17.01.2006