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Silvesterböller
nimmt Sicht: zwei Verletzte

Führerschein zu Unrecht entzogen

Von Christian Althoff
Herford (WB). Einem Autofahrer aus Herford, dem in der Neujahrsnacht durch explodierende Silvesterböller die Sicht genommen worden war und der deshalb zwei Menschen angefahren hatte, ist zu Unrecht der Führerschein entzogen worden. Diese Auffassung vertritt das Oberlandesgericht in Hamm.

Zu dem schweren Unfall war es in der Nacht zum 1. Januar 2005 gekommen. Der Mann wollte mit seiner Frau und seinem Sohn auf den Eggeberg fahren, mit 232 Metern eine der höchsten Erhebungen Herfords. Die im Volksmund auch Senderberg genannte Erhöhung lockt regelmäßig zur Jahreswende Menschen an, weil von hier aus der Blick nach Norden bis zum Wiehengebirge und nach Süden bis zum Teutoburger Wald reicht.
Der Familienvater war spät dran: Als er die unbeleuchtete und zum Teil zugeparkte Straße kurz nach Mitternacht in Richtung Hügelspitze hochfuhr, zündeten bereits zahlreiche Menschen neben und auf der Fahrbahn ihre Böller und Raketen. Der Autofahrer gab später an, er habe plötzlich vor sich auf der Straße einen bereits angezündeten Böller bemerkt. Weil er Angst um seinen Wagen gehabt habe, habe er aufs Gas gedrückt. Auf einmal habe ihm Rauch die Sicht genommen. Erst, als er aus dieser Wolke herausgekommen sei, habe er zwei Männer vor sich gesehen. Das Auto erfasste die beiden, die schwer verletzt wurden. Eines der Opfer klagt bis heute über Beschwerden am linken Sprunggelenk.
Das Amtsgericht Herford hatte den Autofahrer wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Körperverletzung zu 210 Euro Geldstrafe verurteilt und ihm für acht Monate den Führerschein entzogen. Nach Auffassung des Gerichtes hatte der Angeklagte rücksichtslos gehandelt. Es habe sich wegen der Rauchentwicklung zahlreicher Feuerwerkskörper um eine unübersichtliche Stelle gehandelt, an der der Angeklagte mit Schritttempo hätte fahren müssen. Er sei aber laut Gutachter mit Tempo 35 unterwegs gewesen und habe deshalb die beiden Opfer zu spät bemerkt.
Diese Auffassung teilt das Oberlandesgericht nicht, das der Verurteilte auf dem Weg der Sprungrevision angerufen hatte. Es sei nicht auszuschließen, argumentierten die Richter, dass erst der Knallkörper, den der Autofahrer überfahren hatte, durch seine Explosion zu der Qualmentwicklung geführt habe, die dem Mann unmittelbar vor dem Unfall die Sicht nahm. Das Amtsgericht habe nicht nachweisen können, dass die Straße bereits durch andere Böller verqualmt und die Sicht deshalb eingeschränkt gewesen sei. Von Rücksichtslosigkeit könne auch nicht gesprochen werden, da der Autofahrer nur mit Tempo 35 statt mit den erlaubten 100 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sei.
Das OLG hat den Fall zur erneuten Verhandlung nach Herford zurückverwiesen.

Artikel vom 17.01.2006