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Ann-Kathrin Elbe hält
ihre Vorwürfe aufrecht

Springstein schwer belastet: blaue Pillen vom Trainer

Magdeburg (dpa). Der Leichtathletik-Trainer Thomas Springstein ist am zweiten Verhandlungstag des Prozesses wegen Minderjährigen-Dopings schwer belastet worden.
Hauptzeugin: Anne-Kathrin Elbe und Anwalt Joachim Strauss auf dem Weg zum Verhandlungsraum.
Seine frühere Sprint-Schülerin Anne-Katrin Elbe sagte gestern vor dem Amtsgericht in Magdeburg aus, von dem 47-Jährigen in zwei Trainingslagern im April und Mai 2003 jeweils Fläschchen mit Tabletten erhalten zu haben. »Ich war fassungslos und geschockt, als ich erfahren habe, dass da Testosteron drin gewesen ist«, sagte Elbe, die damals 16 Jahre alt war. Von der Staatsanwaltschaft vorgelegte E-Mails von Springstein über Doping-Pläne warfen zusätzlich kein gutes Licht auf den Coach.
Elbe, die von Anfang 2000 bis Ende 2004 in der »Sprintschule Grit Breuer« in Magdeburg trainierte, will von den von Springstein in den Trainingslagern in den USA und in Zinnowitz aus einem »schwarzen Aktenkoffer« erhaltenen Pillen höchstens am Anfang ein paar genommen haben. Der Coach habe sie aber dazu verdonnert, niemandem etwas über die Tabletten zu sagen: »Ich sollte nicht darüber reden, Stillschweigen bewahren und auch meinen Eltern nichts sagen.« Am Ende des Trainingslagers in Zinnowitz habe sie ein Fläschchen mit Pillen nach Hause genommen, aufbewahrt und nach einem Jahr an den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) weitergegeben, der daraufhin Anzeige erstattete.
Neben den weißen und braunen Tabletten, die bei einer Analyse als Doping-Mittel entlarvt wurden, will die Sprinterin auch noch blaue Kapseln an normalen Trainingstagen in Magdeburg von Springstein bekommen haben: »Er hat sie aus der Hosentasche gezogen, wir mussten sie in seinem Beisein einnehmen.« Nach ihrer Aussage hätten auch ihre Ex-Trainingspartnerinnen Julia Lesse und Anne-Maria Lehmann Pillen von ihrem Ex-Coach erhalten.
Die Mutter von Anne-Katrin Elbe hatte zuvor den Verlauf der Affäre im Wesentlichen bestätigt, nur im Detail anders dargestellt. Danach hatte ihre Tochter von dem Trainingslager in Orlando/USA das Fläschchen mit weißen und braunen Tabletten mitgebracht. Ihre Tochter hatte ausgesagt, sie erst nach dem Camp in Zinnowitz mitgebracht zu haben.
Erst ein Jahr später hätte ihre Tochter dem Bundestrainer Thomas Kremer in einem Gespräch von diesen Pillen erzählt, der daraufhin eine Analyse vorschlug. Die Tabletten mit dem Doping-Wirkstoff Testosteron-Undecaonat habe ihre Tochter aber nach einem Wettkampf im Mai 2004 nicht Kremer direkt übergeben, sondern über die Dortmunder Sprinterin Sarah Battke an ihn weitergeleitet. »Er wollte sie nicht haben«, sagte Petra Elbe. Dazu, dass Eltern und Tochter so lange gewartet haben, meinte sie: »Wir wollten nicht der Grund sein, dass sie ihre Laufbahn aufgeben muss.«
Für Springstein-Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel waren die Aussagen von Mutter und Tochter widersprüchlich: »Verwundert kann man feststellen, dass an Herrn Springstein nichts hängen geblieben ist, was wichtig wäre.«
Vor der Vernehmung von Anne-Kathrin Elbe sorgte Staatsanwältin Angelika Lux mit Beweisanträgen für Paukenschläge. Sie beantragte, mehrere bei einer Razzia am 28. September 2004 im Springstein-Haus sichergestellte E-Mails als Beweise zuzulassen. Daraus geht hervor, dass Springstein sich nicht nur über Testosteron-Präparate für Frauen informiert, sondern Bestellungen für im Sport verbotene Mittel aufgegeben und bei Experten um Pläne für deren Anwendung gebeten hat.

Artikel vom 17.01.2006