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Finnlands Lektionen in
einer »anderen Welt«

»Bunte« Nachlese zum 27. Jöllenbecker Frauenturnier

Von Jörg Manthey und Jan Lüdeke
Bielefeld (WB). Versprechen gehalten. Die nationale und europäische »Weltklasse«, die Veranstalter TuS Jöllenbeck anlässlich der 27. Auflage seines Internationalen Frauen-Fußballturniers um den Pokal der Sparkasse Bielefeld angekündigt hatte, geizte nicht mit Topleistungen. Das zweitägige Spektakel in der Realschulhalle Jöllenbeck schrieb einmal mehr Geschichte und Geschichten.

Der hoch eingeschätzte finnische Abonnementsmeister HJK Helsinki blieb am ersten Tag sieglos. Keine einfache Situation für Trainer Timo Lounio. »Wir sind es eigentlich gewohnt zu gewinnen und hassen es, zu verlieren«. Die Erklärung für die ersten Resultate (1:4, 1:4, 0:2, 0:2) war denkbar einfach: Helsinki hat keinerlei Praxis in solch »kleinen« Hallen. Turnierreporter Heiko Jaeckel: »Das ist hier eine ganz andere Welt für die«. So wurde der Samstag als »Lehre« angesehen, um die gelernten Lektionen tags darauf in einen 3:0-Sieg gegen Wroclaw umzumünzen. Lounios freche Ansage: »Nächstes Jahr kommen wir wieder und gewinnen das Turnier.«
Vor der vierten Gruppenpartie spielten die Veranstalter eigens für die bis dahin glücklosen Teams von Helsinki und Fortuna Hjørring (1 Punkt) finnische und dänische Popmusik. Während Helsinki bekanntlich weiterhin verlor, setzten die heimischen Klänge bei den Däninnen neue Kräfte frei. Zunächst holte Hjørring seinen ersten Sieg, gewann am zweiten Tag gar alle Spiele bis zum Finale. Da zog Fortuna bekanntlich im Neunmeterschießen den Kürzeren.
Nicht ganz zufrieden mit dem Abschneiden äußerte sich auch Bad Neuenahrs Fußballlehrer Dietmar Schacht, der den Halbfinaleinzug als Ziel ausgegeben hatte. »Unser Hauptproblem war die mangelhafte Chancenauswertung. Wir haben das Halbfinale am ersten Tag vergeigt. Platz fünf passt irgendwie gut zu mangelhaft«. Schacht »lebt Teamgeist und Disziplin vor« und trainiert sein Team »wie Männer. Nur die Ansprache ist anders«. Resümee seines Premierenbesuchs: »Man kann Jöllenbeck zu diesem Topturnier nur gratulieren«.
Gesagt, getan. Der Vorjahressechste FC Gütersloh wollte sich diesmal steigern und landete auf einem achtbaren vierten Platz. Der »durch Zufall reingerutschte« Co-Trainer Dirk van der Ven, früherer Arminia-Profi, weiß die »ganz andere Mentalität« des weiblichen Geschlechts inzwischen einzuschätzen. »Die sind mitunter sehr launisch und zickig«. Van der Ven, ein »dicker Kumpel« von Chefcoach Heiko Bonan beteuert, dass er »Riesenspaß« an der Arbeit mit dem FCG verspüre. »Ich wundere mich selber, dass ich mit solchem Engagement bei der Sache bin«.
Nebenbei entwickelt er neues Projekt. »Ich habe ein Konzept ausgearbeitet für ein Talentförderprogramm für Kinder. Eine Art Stützpunkttraining, bei dem der Nachwuchs fachlich fundiert und gezielt so ausgebildet werden soll, wie es der DFB mal urspünglich wollte«. Ein ähnliches Konzept verfolge der frühere Gütersloher Rob Reekers mit seinen Talentzentren in Enschede.
Arminias Fußballlehrer Mark-Oliver Stricker wurde von der Gütersloher Truppe freudig begrüßt. Schließlich feierte er in seiner Zeit beim FCG als Mädchen- und Damentrainer mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft und dem Aufstieg in die Regionalliga die wichtigsten Erfolge mit. Strickers Urteil: »Es macht Spaß, dem FCG zuzugucken. Mich überrascht es nicht, dass Gütersloh so gut mithält. In der Bundesliga herrscht ein großes Gefälle. Als Zweiter der 2. Liga Nord brauchst du dich nicht zu verstecken«. Angesichts der Jugend im Team und der guten Nachwuchsarbeit in Gütersloh prophezeit er dem FCG irgendwann den Aufstieg in die 1. Liga. Sein Tipp: »Die Frauenabteilung muss potente Partner wie Bertelsmann überzeugen und ins Boot holen können und sich dann selbstständig machen«.
Duisburgs Torjägerin Inka Grings reiste aus beruflichen Gründen erst am Samstagabend nach Jöllenbeck, erzielte sonntags sechs Treffer, wurde zweitbeste Torschützin. Und das ohne spezielle Hallenfußballschuhe. Die verblüffende Antwort auf die Frage, ob sie ihre daheim vergessen habe: »Nö. Ich hab' gar keine.«
Den Spaß verloren auch die letztplatzierten Mannschaften aus Prag und Wroclaw nicht. Vor dem Spiel um Platz sieben scherzten die Trainer, Dusan Zovinec und Wojciech Basiuk: »Finale!«
Nach elf stressigen Stunden waren Olaf Beugholt und Co. einfach nur glücklich mit dem Turnierverlauf. »Qualität setzt sich eben durch«, lautete das frohe Eigenlob.

Artikel vom 17.01.2006