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Echte Braunschweiger »Löwen«
aus dem Stall Arminia Bielefeld

Martin Amedick und Finn Holsing haben sich in der 2. Liga etabliert

Von Werner Jöstingmeyer
Marienfeld (WB). Die Strapazen und Entbehrungen haben sich gelohnt. Arminias ehemalige Talente Martin Amedick und Finn Holsing sind im Profibereich angekommen und haben einen weiteren Karrieresprung vollzogen. Allerdings tragen sie nicht das Bielefelder Bundesligatrikot, sondern den Dress des Zweitliga-Aufsteigers Eintracht Braunschweig.

Seit Dienstag bis zum heutigen Samstag absolvieren sie mit ihren Kollegen unter der Regie von Trainer Michael Krüger in der WM-tauglichen Nobelherberge »Klosterpforte« in Marienfeld (Kreis Gütersloh) ein Kurztrainingslager. »Wir haben hier ideale Bedingungen«, vermissen sie keineswegs den für viele Klubs obligatorischen Trip in südliche Gefilde. Allerdings stellt Krüger fest: »Sollte das Wetter schlechter werden, können wir nächste Woche immer noch nach Mallorca fliegen. Wir haben dort eine Option.«
Zufrieden ist der 51-jährige Fußballlehrer mit den beiden ehemaligen Bielefeldern allemal. »Martin Amedick ist unser Muster-Profi. Er braucht keine Aufsicht. Martin kommt zwar morgens spät zum Frühstück, ist aber nach dem Training auch der Letzte, der vom Platz geht«, schwärmt Krüger in den höchsten Tönen.
Vor anderthalb Jahren hat Krüger den 1,94 großen Innenverteidiger ablösefrei vom DSC Arminia losgeeist, nachdem er eigentlich durch Zufall auf ihn aufmerksam geworden war. »Ich wollte in der Oberligapartie FC Gütersloh gegen Arminias Amateure eigentlich Torjäger Ryan Coiner beobachten. Da ist mir Martin Amedick aufgefallen, weil er unserem Anforderungsprofil entsprach und ein Riesenspiel abgeliefert hat«, erinnert sich der Braunschweiger Coach.
Bereut hat der mittlerweile 23-jährige Innenverteidiger Amedick den Wechsel zum damaligen Regionalligisten Eintracht Braunschweig zu keiner Zeit. Auch nicht, als in der vergangenen Bundesligasaison der inzwischen zum VfL Wolfsburg transferierte Matthias Langkamp wie ein »Phönix aus der Asche« in Bielefeld zu 22 Erstligaeinsätzen kam. »Dafür sitzt er jetzt in Wolfsburg auf der Bank und bekommt keine Chance«, kennt Amedick die Unzufriedenheit des früheren Weggefährten, der ebenfalls in Braunschweig wohnt und sich gern mit den beiden »Ex-Stallgefährten« trifft.
Bei den Braunschweiger »Löwen« ist Martin nicht nur Stammspieler und der heimliche Abwehrchef, sondern auch stellvertretender Mannschaftskapitän. Schließlich hatte er in der vergangenen Saison erheblichen Anteil am Aufstieg in die zweite Liga. Sein Vertrag bei der Eintracht läuft am Saisonende aus. Längst ist es kein Geheimnis, dass Amedick von Borussia Dortmund vehement umworben wird. Derzeit befinde er sich in der Überlegungsphase. Ein Vertrag sei aber noch nicht unterschrieben, stellt der »Lange« fest. Dennoch will er sich in Kürze entscheiden, ob er Borusse wird, oder noch ein Jahr bei den »Löwen« bleibt.
Trainer Michael Krüger sieht derweil die Situation sehr realistisch: »Obwohl in Dortmund die Innenverteidigung mit Wörns und Metzelder besetzt ist, habe ich das Gefühl, dass er dorthin wechselt. Ob es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, muss Martin ganz allein entscheiden.«
Derlei Probleme hat Finn Holsing nicht. Der 22-jährige Flügelflitzer wurde im Sommer für ein Jahr an Eintracht Braunschweig ausgeliehen. Nach anfänglichen verletzungsbedingten Schwierigkeiten nutzte er am 7. Spieltag seine Chance und zählt seitdem zum Stammpersonal. Einen großen Unterschied zu seinem bisherigen Klub Arminia sieht Finn nicht. »Von Ende September bis April durfte ich ja bei Uwe Rapolder mittrainieren. Und der Umgang mit den Profis hat mich vorgeprägt«, gibt Holsing zu.
Nahm sein Kollege Martin Amedick früher die beinahe tägliche Anreise von Delbrück nach Bielefeld in Kauf, reiste Finn Holsing bis zum Erwerb des Führerscheins mit der Bahn aus Minden an. »Der Aufwand hat sich gelohnt. Schließlich wollte ich von jeher Fußball-Profi werden«, bedankt er sich auch bei seinen Eltern, die ihn stets in dieser Hinsicht unterstützten. In Braunschweig hat er sich endgültig »abgenabelt« und fühlt sich in der niedersächsischen Stadt ausgesprochen wohl. Braunschweig sei vergleichbar mit Bielefeld. »Überschaubar mit einer vielleicht noch größeren Fußballbegeisterung«, stellt er fest.
Mit einem Zuschauerschnitt von 18 000 ist Eintracht in der zweiten Liga ganz oben angesiedelt. Es mache einfach einen Riesenspaß vor dieser Kulisse zu spielen, sagt der »Noch-Armine«, dessen Vertrag in Bielefeld erst 2007 ausläuft. Ob er am Saisonende seine Zelte in Braunschweig wieder abbrechen und nach Bielefeld zurückkehren muss, weiß er nicht genau. Für Finn Holsing spricht sein momentaner Coach Michael Krüger: »Eine Rückkehr zu Arminia macht nur Sinn, wenn Finn in Bielefeld echte Perspektiven hat.«
Mit anderen Worten: Der Braunschweiger Cheftrainer würde Holsing gern behalten und ihm durch die Spielpraxis weiteres Rüstzeug für die Profilaufbahn vermitteln. Krügers Feststellung: »Finn ist talentiert und sehr bemüht, aber einiges fehlt ihm doch noch, um in der ersten Bundesliga bestehen zu können.« Arminias Sport-Geschäftsführer Reinhard Saftig hat sich indes noch nicht festgelegt, was mit dem Eigengewächs Finn Holsing werden soll. Er habe ihn bisher zweimal beobachtet und sei immer auf dem Laufenden, wie sich der Junge entwickele, versichert Saftig und spielt auf Zeit: »Finn hat bei uns einen Vertrag. Wir werden schauen und haben keine Eile.«
Während Martin Amedick das Kapitel Arminia endgültig abgeschlossen hat und nur noch in die Zukunft blickt, steht Kollege Holsing vor der bangen Frage: »Spiele ich womöglich in der nächsten Saison wieder bei Ar-minias Amateuren in der Oberliga oder kratze ich mit Eintracht Braunschweig an der Tür zur Bundesliga?« Dass sich der niedersächsische Traditionsverein spätestens in der kommenden Saison die Rückkehr in die Beletage auf die Fahnen geschrieben hat, daran lässt auch Michael Krüger keinen Zweifel. Sein Kompliment an die beiden Ex-Arminen: »Mit Martin und Finn wird bei uns vieles leichter.«

Artikel vom 14.01.2006