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Ärzte behandeln
bei Kerzenschein

Protest gegen Gesundheitspolitik

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Die Protestaktionen der niedergelassenen Ärzte weiten sich aus. In Bielefeld ist am 1. März ein politischer Aschermittwoch geplant. Aufgrund dieser Großkundgebung bleiben die meisten Praxen geschlossen.

Zunächst nehmen Mediziner, Arzthelferinnen und Patienten am 18. Januar an einer Demonstration in Berlin teil. Auch viele Zahnärzte aus Westfalen-Lippe zeigen sich solidarisch und fahren in die Bundeshauptstadt.
Der Verband »Freie Ärzteschaft« geht davon aus, dass am nächsten Mittwoch mehr als 50 Prozent der bundesweit 100 000 Praxen nicht öffnen, und sich insgesamt drei Viertel aller niedergelassenen Ärzte an weiteren örtlichen Protestaktionen beteiligen. In Ostwestfalen-Lippe sind nach dem 18. Januar so genannte Bürokratie-Tage vorgesehen. An diesen Tagen bleiben die Praxen geschlossen. Die Ärzte widmen sich nicht ihren Patienten, sondern erledigen Büroarbeiten. Dr. Ulrich Thamer, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL): »Die Vertragsärzte haben die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht und fordern bessere Arbeitsbedingungen, vor allem den Abbau von Bürokratie, Kontrollen und staatlicher Gängelung.«
Bereits am 17. Januar wollen im Kreis Steinfurt 100 Hausärzte in ihren Praxen kein Licht einschalten, sondern bei Kerzenschein ihre Patienten behandeln. Mit dieser Protestaktion wollten sie verdeutlichen, dass in der Gesundheitspolitik »das Licht ausgeht«, sagte KVWL-Sprecher Andreas Daniel am Freitag dieser Zeitung.
In den Kreisen Coesfeld und Borken würden am 18. Januar Ärzte und Arzthelferinnen an einem Fortbildungstag in der Stadthalle Coesfeld teilnehmen. 130 Praxen blieben geschlossen. In Rheine würden Hausärzte am 18. Januar »auf die Straße gehen«.
Die »Freie Ärzteschaft« hat bereits dazu aufgerufen die im November gestartete Aktion »Dienst nach Vorschrift: Praxen mittwochs zu« bis Ende März zu verlängern.
Der Vorsitzende der »Freien Ärzteschaft«, Martin Grauduszus, rechnet damit, dass die Ärzteproteste bis Juni dauern. Grauduszus geht nicht nur von weiteren Praxisinsolvenzen aus. Aus Verzweiflung hätten Ärzte bereits angekündigt, ihre Kassenzulassung zurückgeben, um nur noch Privatpatienten zu behandeln. Bei einer Versammlung von Anästhesisten (Narkoseärzten) in Nordrhein hätten sich 50 Prozent der Mediziner zur kollektiven Zulassungsrückgabe bereit erklärt. Weitere 30 Prozent könnten sich diesen Schritt vorstellen, sagte Grauduszus.

Artikel vom 14.01.2006