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Von Michael Schläger

Bielefelder
Optik

Es kommt, wie's kommt


Hätte jemand im Jahr 1900 für das 20. Jahrhundert zwei Weltkriege mit Millionen Toten und Millionen Flüchtlingen vorhergesagt, wäre er wohl kaum ernstgenommen worden. Aber genauso ist es gekommen. Auch die Entwicklung einer Stadt wie Bielefeld ist davon nachhaltig beeinflusst worden.
Vor diesem Hintergrund mag mancher mit einem fatalistischen »Es kommt, wie's kommt« auf die eher düsteren Bevölkerungsprognosen für die nächsten Jahrzehnte reagieren. Und zusätzliche Argumente dafür, dass alles ungewiss ist, erhält er mit Blick auf die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Wer konnte damit rechnen, dass aus den Gastarbeitern auf Zeit der 60er und 70er Jahre die »Menschen mit Migrationshintergrund« unserer Tage würden? Und wer wusste, dass in der 80er und 90er Jahren immer mehr Russlanddeutsche zu uns kamen?
Heute hat Bielefeld mit seinen 330 000 Bürgern so viele Einwohner wie nie zuvor in seiner Großstadtgeschichte. Und doch tut die Stadt gut daran, sich um die Zeit zu kümmern, in der deutlich weniger Menschen in ihren Grenzen leben werden.
Dabei ist Bielefeld im Vorteil. Hier wurden die Zeichen früh erkannt und im Rathaus eine Demographie-beauftragte bestellt. Ihre Analyse kann die Grundlage für wichtige Handlungsschritte werden, mit denen sich die Stadt auf die immer älter und kleiner werdende Bürgerschaft einstellen kann.
Diese Zukunft hat längst begonnen. Das zeigen nicht zuletzt private Investoren, wenn sie verstärkt in neue Wohn- und Betreuungsformen für Senioren investieren. Aber es stehen auch schwierige Gratwanderungen bevor. So bleibt die Schülerzahl in den nächsten Jahren noch anhaltend groß, es fehlen sogar Klassenzimmer. Es ist aber auch vorhersehbar, dass einzelne Schulen in Zukunft nicht mehr genügend Schüler haben und nicht mehr überlebensfähig sein werden. Wie soll man damit umgehen?
In manchen Fragen ist mehr Ehrlichkeit angezeigt. So stammen schon heute 40 Prozent der Kindergartenkinder aus Familien mit besagtem Migrationshintergrund. Der Anteil der Menschen mit ausländischen Wurzeln an der Gesamteinwohnerzahl wird 2050 einen ähnlichen Prozentsatz erreicht haben. Gelingt ihre Integration, oder wollen sich manche gar nicht in unsere Gesellschaft eingliedern lassen?
Die Stadtverwaltung geht den richtigen Weg, wenn sie sich mit diesen Fragen beschäftigt und sich auf die Zukunft vorbereitet. Und mit einer Prise »Es kommt, wie's kommt« ist diese Zukunft auch zu bewältigen.

Artikel vom 14.01.2006