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Verbraucherzentrale
Bundesverband

»Der Interessenausgleich zwischen Anbietern und Kunden ist misslungen.«

Leitartikel
Urheberrecht

Mit Inhalten und Kunden fair umgehen


Von Thomas Lunk
War die Reform des Urheberrechts 2003 die »Pflicht«, nämlich die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie, ist der zweite »Anlauf« die deutsche Kür. Der im September 2004 erstmals vorgestellte und seitdem temperamentvoll diskutierte Entwurf wird von den Verbraucherschützern in Bausch und Bogen verdammt.
Der Gesetzentwurf sei unbrauchbar, das Ziel, einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Inhalte-Anbieter und den Bedürfnissen der Verbraucher zu schaffen, sei verfehlt worden. Wer sein - grundsätzlich uneingeschränktes - Recht auf eine Privatkopie von Videos, Musik oder Büchern wahrnehme, stehe - überspitzt formuliert - mit einem Bein im Gefängnis.
Mit ihrer Kritik schießen die Verbraucherschützer scharf - treffen möglicherweise aber nur Spatzen. Der Gesetzgeber räumt den Strafverfolgungsbehörden ausreichend Spielraum ein, um Bagatellfälle im privaten Umfeld von »echten« Kriminellen abzugrenzen und straffrei zu lassen.
Auch dürfen wir unseren Gerichten zutrauen, dass sie erkennen, wenn es für einen Internet-Nutzer schwer oder unmöglich ist festzustellen, ob der neueste Hit von Britney Spears rechtswidrig oder legal zum Herunterladen angeboten wird. Wer allerdings hunderte von Titeln aus dem Netz saugt und glaubt (?), »Fluch der Karibik II« werde vier Wochen vor Kinostart als Video aus der Handkamera legal veröffentlicht, muss sich (eventuell auch vom Richter) sagen lassen: Kopien brauchen Original und ein 200-Millionen-Dollar-Kinovergnügen will bezahlt sein.
Eine treibende Kraft hinter der Verschärfung des Urheberrechts ist die Musikindustrie. Und gerade die treibt genervte Kunden in illegale Tauschbörsen. Der Musikliebhaber erwartet im 21. Jahrhundert, dass er Musik unkompliziert aus dem Internet laden und wo und wann immer es ihm gefällt hören kann. Viele Firmen verhindern jedoch genau das. Manche kopiergeschütze CD lässt sich in älteren Geräten gar nicht erst abspielen oder verweigert den Dienst im Computer-Laufwerk.
Sony BMG hat in den USA erst kürzlich mit einem Kopierschutz für Schlagzeilen gesorgt, der auf vielen Computern ein Sicherheitsleck verursacht, durch das Schadsoftware eingesickert ist.
Manche Online-Shops schränken zudem mittels digitaler Rechteverwaltung die Nutzungsmöglichkeiten vieler Titel stark ein: Der Verbraucher muss nicht nur auf den Preis achten, sondern auch darauf, wie oft er einen Titel hören, kopieren und brennen darf. Von einfacher und unkomplizierter Nutzung keine Spur.
Trotzdem darf der Musik-Fan nicht die Flucht in die Illegalität antreten, sondern sollte lieber nach legalen Alternativen suchen. Die gibt es jetzt in Form von Musikverlagen, die ihre CDs ausdrücklich ohne Kopierschutz anbieten. Und auf die Fairness der Käufer vertrauen. An der Ladentheke - ob virtuell oder real -Êfällt die Entscheidung, dort ist »König Kunde« noch der Souverän.

Artikel vom 23.01.2006