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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Abraham, Isaak und Jakob sind die sogenannten Erzväter Israels. Von Isaak, dem zweiten von ihnen, erfährt man am wenigsten. Er muß wohl von eher passivem Naturell gewesen sein und weniger ein Gestalter. Sein Vater Abraham wird das gewußt haben. Denn er beauftragte seinen ältesten Mitarbeiter damit, nach einer Frau für ihn Ausschau zu halten. Seinem Sohn selbst traute er das wohl nicht zu. Der nämlich war mit Vierzig immer noch ledig.
Zunächst testete dieser Brautwerber, ohne daß sie das merkte, die Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft einer möglichen Kandidatin Dann erst wurde er bei deren Vater vorstellig und kam zur Sache. Es sollte schließlich die Richtige für seinen Juniorchef gefunden werden. Rebekka, so hieß die Auserwählte, war außerdem eine ausgesprochene Schönheit. Das war zwar keine Bedingung gewesen, aber zweifellos eine willkommene Zugabe. So fiel es Isaak nicht schwer, sich in sie zu verlieben, obwohl er sie vorher noch nie gesehen hatte.
Ob diese Liebe immer anhielt, ist allerdings fraglich. Zunächst galt Rebekka nämlich als unfruchtbar - im Altertums fast eine Schande. Viel später stellte sich aber doch noch Nachwuchs ein: Jakob und Esau. Doch obwohl ein Zwillingspaar, waren diese beiden Brüder grundverschieden. Esau, ein schlichtes Gemüt, derb und behaart wie ein Tier und kein häuslicher Typ, hatte etwas Wildes an sich. Jakob dagegen war viel intelligenter, weicher, gesitteter, aber auch raffinierter. Er hielt sich gern am heimischen Herd auf und wurde Mutters Lieblingssohn.
Wird ein Kind anderen Geschwistern vorgezogen, bleibt das in der Regel nicht ohne böse Folgen. Es vergiftet den Familienfrieden und kann das Verhältnis von Eheleuten belasten. Überdies nimmt ein Kind, das sich weniger geliebt weiß, an seiner Seele Schaden. Das mag für Esau zunächst nicht ganz so schlimm gewesen sein; denn zum Ausgleich fühlte sich sein Vater stärker mit ihm verbunden. Außerdem hatte er einen besonderen Trumpf in der Hand: Ein paar Minuten eher als Jakob geboren, war er der ältere und somit Erbe. Ihm stand auch der väterliche Abschiedssegen zu.
Doch gerade das wollte Rebekka verhindern und ihrem Liebling diese Gunst zukommen lassen. Dazu war ihr jedes Mittel recht, sogar, ihren Mann heimtückisch zu hintergehen. Als Isaak sein Ende nahen fühlte, war es Zeit, den Segen zu spenden. Doch zuvor wünschte er, Esau möge für ihn noch ein Wild erlegen und daraus ein Gericht zubereiten. Das aber kostete Zeit, und diese Zeit nutzte Rebekka geschickt, um den väterlichen Segen auf Jakob umzuleiten. Nur durfte Isaak davon nichts merken.
Deshalb präparierte sie ein anderes Stück Fleisch, so daß es wie ein Wildgericht schmeckte. Um Jakobs Hände und um seinen Hals band sie Fell; denn im Gegensatz zu seinem Bruder hatte er glatte Haut. Das konnte Isaak, fast erblindet, zwar nicht mehr sehen, wohl aber fühlen. Und obwohl mißtrauisch, weil ihm die Mahlzeit zu schnell serviert wurde und die andere Stimme ihn störte, gelang der Coup. Jakob bekam den Segen, und als Esau erschien, hatte er das Nachsehen. Denn einen zweiten Segen hatte Isaak nicht zu vergeben.
Die Bibel enthält nicht nur erbauliche Geschichten, in denen die Moral den Sieg davonträgt und der Anständige über den Schurken am Ende triumphiert. Rebekka ist kein Engel, sondern zur Betrügerin geworden. Doch zum Leidwesen aller Tugendwächter gelang ihr der Betrug. Wohl auch, weil Jakob der Talentiertere war, wollte sie das Schicksal zu seinen Gunsten manipulieren - und hat es geschafft. Sie wurde dafür nicht einmal von Gott bestraft; denn der schreibt auch auf krummen Zeilen gerade.
Doch die Folgen bekam auch sie zu spüren. Esau war fest entschlossen, sich an seinem Bruder zu rächen und ihn umzubringen. Der muß vor ihm fliehen. Rebekka aber, die alles für ihn erreicht hatte, sah ihn nie wieder (nachzulesen: 1. Mose/Genesis, Kapitel 24, 25 u. 27).

Artikel vom 14.01.2006