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Wort zum Sonntag

Von Jutta Hoppe

Jutta Hoppe

Paulus schreibt: Ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft. (1. Kor. 2, 3-5)
»Wie die Medizin die Krankheiten des Körpers heilt, so befreit die Weisheit die Seele«, sagt ein griechischer Philosoph. Wer Weisheit besitzt, sei in der Lage, sein Leben zu meistern und mit allen Schwierigkeiten des Lebens fertig zu werden. Heute ist es eher das Wissen, das an die Stelle der Weisheit getreten ist: »Wissen ist Macht«, lautet ein anderes Sprichwort. Wer viel weiß, ist den anderen überlegen.
Wir leben in einer Welt, die auf Wissenschaft ausgerichtet ist, die von Wissenschaft bestimmt wird. In ihr kann nur der etwas werden, der über Wissen verfügt. Doch wie ist es mit diesem Leben bestellt, das auf Wissen gerichtet, durch Wissen bestimmt ist? Kann man sein Leben durch Wissen allein in den Griff bekommen?
Ich las vor kurzem eine Geschichte. Sie handelt von einem Mann, der in seinem Leben schon viel erreicht hat. Er war auf dem Berg der Macht, hatte viel Geld erwirtschaftet und genoss die Freuden des Lebens. Er war mit all seinen Annehmlichkeiten auf dem Höhepunkt seines Lebens, so schien es ihm. Und dennoch war er nicht zufrieden. Er spürte, dass er sich nach etwas sehnte, das er nicht kaufen kann. Eine Sehnsucht nach Gott, nach Geborgenheit, Schutz und Hoffnung und Liebe wurde in ihm wach.
Darüber predigt auch Paulus. Paulus, man könnte ihn auch als den ersten »Werbeträger« in der Kirche bezeichnen, zeigt ganz bewusst einen anderen Weg, den Sinn des Lebens zu entdecken. Gradlinig und aufrichtig lenkt er den Blick nur auf das Wirken Gottes in dieser Welt, auf den Geist Gottes, von dem viel Kraft ausgeht. Felix Mendelssohn-Bartholdy vertonte in seinem Oratorium das bewegte Leben von Paulus, wie es in der Apostelgeschichte überliefert ist.
Es heißt darin: »O welch eine Tiefe des Reichtums der Weisheit und Erkenntnis Gottes. Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte, wie gar unbegreiflich seine Wege.« Dieser ergreifende Chorsatz fasziniert mich immer wieder, wenn ich ihn höre oder singe.
Vom Geist Gottes sollten wir uns mehr leiten und tragen lassen. Er hilft uns, dass wir uns der Arbeit und Freizeit, unserer Familie und unserer Gemeinde, dem satten und hungrigen, dem glücklichen und enttäuschten Menschen zuwenden können. Lassen wir nicht nach, täglich um die Kraft aus der Höhe zu bitten. Dann spüren wir den Geist Gottes, wie er uns trägt und Getrenntes wieder zusammenbringt: Himmel und Erde, Gott und Mensch.

Artikel vom 14.01.2006