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Nicht mehr Geld für Bauern

Agrarminister Seehofer lehnt Ausgleich für gestrichene EU-Förderung ab

Von Bernhard Hertlein
Berlin (WB). Die auf dem jüngsten Europa-Gipfel beschlossenen Kürzungen drohen, den Keil zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft wieder zu verstärken.
»Wurstelt« in Berlin herum: Minister Horst Seehofer. Foto: dpa

Bundesminister Horst Seehofer (CSU) sagte gestern vor der heute beginnenden »Grünen Woche« in Berlin, er sehe keine Möglichkeit, die künftig wegfallenden Gelder in der so genannten »zweiten Säule« der EU-Förderung durch Bundesmittel auszugleichen.
Auch die vom Rat der europäischen Ministerpräsidenten eingeräumte und von Österreich bereits beschlossene Möglichkeit, Mittel aus den Direkthilfen für die Landwirte (Säule 1) in die Förderung des ländlichen Raums und einer eher kleinbäuerlichen Landwirtschaft umzuschichten, lehnt Seehofer ab. Er lag damit auf einer Linie mit EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. Boel kritisierte zwar erneut die Kürzung ihres Etats von 87 auf 69 Milliarden Euro pro Jahr. Jetzt die Mittel in den Ländern anders zu verteilen und gegebenenfalls aufzustocken laufe jedoch am Ende auf eine abzulehenden »Re-Nationalisierung« der europäischen Agrarpolitik hinaus. Dies sei eine »schlechte Lösung«, sagte Fischer Boel.
Damit widersprachen die beiden Politiker einer Forderung, die die Vertreter der ökologischen und kleinbäuerlichen Landwirtschaft nur wenige Stunden zuvor aufgestellt hatten. Nach Aussage des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Grünen-Europaabgeordneten Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf aus Spenge fließen 30 Prozent der EU-Fördergelder an das eine Prozent der größten Agrarbetriebe. Die gleiche Summe müssten sich die 80 Prozent der Bauern teilen, die als Kleinbetriebe eingestuft würden. Graefe zu Baringdorf betrachtet es als unangemessen, dass ein Betrieb mit nur einer Arbeitskraft pro 400 Hektar jährlich bis zu 120000 Euro Fördermittel erhalten könne.
Ähnlich wie der Grünen-Landwirt äußerte sich auch Thomas Dosch, der Bundesvorsitzende von Bioland. Schon 2005 sei wegen der Unsicherheit über die weitere Förderung die Umstellung von konventionellen auf ökologisch produzierende Höfe zum Stillstand gekommen. Es bestehe die Gefahr, dass der Einzelhandel die in Deutschland um jährlich mehr als zehn Prozent steigende Nachfrage nach biologisch erzeugten Produkten noch stärker durch Einkäufe im Ausland befriedige. Schon jetzt, so stellte Heidrun Betz vom Deutschen Tierschutzbund fest, stammten 85 Prozent der aus alternativer Produktion stammenden und in Deutschland verkauften Eier aus niederländischen Betrieben.
Josef Pröll, der als Österreicher derzeit für die EU-Agrarminister spricht, forderte »eine Phase der Stabilität, damit die Landwirte wieder in Ruhe arbeiten können«. Seehofer betonte, dass er die ökologische Landwirtschaft nicht zurückdrehen, sondern nur die Lasten gerechter verteilen wolle.

Artikel vom 13.01.2006