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Jazz erzeugt Gänsehaut

Nils Wülker gilt als der deutsche Miles Davis

Von Frauke Kaberka
Hamburg (dpa). Der blonde junge Mann nimmt das Mundstück seiner Trompete ab und pustet kräftig hinein. Dann setzt er es wieder auf das glänzende Instrument und hebt es bedächtig an den Mund. Glasklar kommt der erste Ton einer Komposition, die von ihm - Nils Wülker - selbst stammt.

Es ist »Gänsehaut-Musik«, die hier in seinem Hamburger Studio entsteht, Jazz vom Feinsten, sanft und eigenwillig. Miles Davis (1926-1991) - der große alte Mann des Jazz - schaut irgendwie zufrieden vom großen Poster an der Studiowand auf seinen Jünger.
Die Inspiration schlechthin sei Miles für ihn gewesen, sagt Wülker. »Dabei habe ich erst mit 16 Jahren das erste Mal von ihm gehört.« Er deutet auf überquellende CD-Regale. Die Begeisterung des Deutschen für den afroamerikanischen Musiker war der Beginn einer möglicherweise großen Karriere. Schon heute gilt der 1977 in Bonn geborene Wülker, der bis jetzt drei CDs auf den Markt gebracht hat, als die Entdeckung der deutschen Jazz-Szene.
In der Norwegerin Torun Eriksen fand er sie. Torun schrieb die Texte zu den Wülker-Stücken selbst. »Ein wunderbar ausgereiftes, sich zwischen Tradition und Moderne platzierendes Album« lobt die Fachpresse seine dritte CD »My Game«.
Doch bis dahin war es ein weiter Weg. »Es war wichtig, viel zu spielen«, sagt Wülker und schaut zurück. »Neben vielen Bands in Köln hab' ich auch im Landesjugend-Jazz-Orchester gespielt.« Oft sei er der Jüngste gewesen. Dann kam 1998 die Ausbildung an der Musikhochschule in Berlin, mittendrin Gastspiele mit der RIAS-Big-Band oder im Theater des Westens, vier Jahre später dann der Abschluss als »Diplom-Instrumentalist«.
Seinen Stil hat er gefunden, ihn im Laufe der letzten Jahre verfeinert, variiert und damit auch experimentiert. Wächst mit dem 28-Jährigen für den bisherigen Liebling der Szene, Till Brönner, Konkurrenz heran? Nils Wülker aktiviert wieder seine Lachfalten. »Wir sind doch keine Konkurrenten.« Im Gegenteil, jeder habe seinen eigenen Stil. Und doch werden die Musiker, die beide so unglaublich gut Trompete spielen können, von den Medien gern in Verbindung gebracht. Den Mittelpunkt des Studios im Hamburger Schanzenviertel bilden mehrere Bildschirme. Riesige Boxen daneben und schalldichte Wände bieten allerbeste Bedingungen für gute Aufnahmen. Hier will er sich einen anderen Traum erfüllen: Filmmusik. »Das reizt mich schon lange.« Während er spricht, poliert Wülker gedankenverloren an seiner Trompete herum. »Das Genre ist sehr interessant, schon deshalb, weil die Dramaturgie vorgegeben ist. Ich habe Anfragen für Filmmusiken. Vielleicht kann ich ja schon bald für Bilder komponieren.«

Artikel vom 14.01.2006