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Demographiebeauftragte Susanne Tatje legt ihren Bericht vor.

»Wir werden immer
weniger, älter und bunter«

Wie die Stadt auf den Bevölkerungsrückgang reagiert

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Heute leben fast 330 000 Menschen in Bielefeld. Im Jahr 2050 werden es nur noch 282 000 sein. Vor allem: 70 Prozent von ihnen werden 60 Jahre und älter sein. Von 2010 an wird die Einwohnerzahl zurückgehen. Die Stadt Bielefeld will mit einem Handlungsprogramm auf diese Herausforderung der Zukunft reagieren.

»Wir werden immer weniger, älter und bunter«, umschrieb eine überregionale Tageszeitung die künftige Entwicklung. Eine Feststellung, die Susanne Tatje, Demographiebeauftragte der Stadt, für Bielefeld nur unterstreichen kann. Für den Hauptausschuss des Rates, der sich in der kommenden Woche mit dem Thema beschäftigen wird, hat sie ein Konzept mit Vorschlägen erarbeitet, das die künftige Altersentwicklung berücksichtigt.
Die Eingliederung von Familien ausländischer Herkunft steht für sie obenan. Vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund müssten beruflich besser qualifiziert werden, weil sie als Arbeitskräfte von der heimischen Wirtschaft dringend benötigt würden. Hochwertige Betreuungsangebote für Kinder seien künftig ein immer wichtiger werdender Standortfaktor. Die Kernstadt müsse »zukunftsfähig« gemacht werden, ausgerichtet werden auf die Wohnbedürfnisse Älterer. Universität und Fachhochschule seien günstige Faktoren für den Zuzug junger Menschen, die eventuell auch eine Familie am Ort gründen.
Der Anteil der »fitten Alten« werde sich deutlich erhöhen. »Hier gilt es, die Potentiale verstärkt zu nutzen«, schreibt Tatje in ihrem Bericht. Die Älteren würden für Ehrenämter und bürgerschaftliches Engagement gebraucht. Es gelte aber auch, gezielt Weiterbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer zu schaffen.
Aus Tatjes Sicht darf es nicht bei Planspielen bleiben. Sie schlägt einen konkreten Ablauf von Planung, Umsetzung und Kontrolle der einzuleitenden Maßnahmen vor. Ganz wichtig sei auch die regelmäßige Anpassung von Beschlüssen an die jeweils aktuelle Entwicklung. Die Demographiebeauftragte hat ein Modell entwickelt, wie alle Rathaus-Dezernate Hand in Hand arbeiten können. »Kirchturmsdenken« könne sich niemand mehr leisten.
In ihrem Bericht macht Tatje aber auch auf die Chancen im Wandel der Bevölkerung aufmerksam. So würden sich Berufs- und Karrieremöglichkeiten generell verbessern, und davon könnten vor allem die Frauen profitieren. Familie und Kinder könnten in der Gesellschaft wieder deutlich an Bedeutung gewinnen. Auch die Stadtplanung werde vom Bevölkerungsrückgang profitieren: »Die frei werdenden Flächen bieten die Möglichkeit, verdichtete und minderwertige Baustrukturen durch neue, attraktivere Stadträume zu ersetzen.«
Mit der Stabsstelle »demographische Entwicklungsplanung« habe die Stadt frühzeitig signalisiert, wie wichtig ihr die Zukunft sei. Jetzt habe sie die Chance bei der Umsetzung von Maßnahmen eine Vorreiterrolle im Land zu spielen.

Artikel vom 13.01.2006