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Bunte Glas-Fantasien fesseln das Auge

Wiebke Thieme aus Randringhausen ist Meisterin eines alten Kunsthandwerkes

Bünde (öse). Ganz schön praktisch, so eine Münzmaschine. An einer Seite wird sie mit Metall gefüttert, auf der anderen kommen fertige Münzen zum Vorschein. Totale Wirklichkeit? Naja, nicht ganz oder nur dem Anschein nach. Der Vorgang, eingebunden in ein Fensterbild der besonderen kunstvollen Art, lässt den Betrachter staunen ob solch einer abstrakt-frischen Idee, verwandelt eventuelle anfängliche Zurückhaltung in ein Augenzwinkern.

Wiebke Thieme, Bewohnerin eines landwirtschaftlichen Anwesens in Randringhausen, ist mit Passion dabei, geht es um die Verarbeitung von Glas zu Fensterbildern. Die Faszination dieses Kunsthandwerkes entdeckte sie vor 27 Jahren. Die damalige Kunsterzieherin hatte sich zu einer Fortbildung in Sachen »Bleiverglasung« entschieden.
»Es ließ mich einfach nicht mehr los«, resümiert sie, führt ihren Gast auf die Bauerndeele. Ein buntschillerndes Allerlei bildhafter Fantasie fesselt die Augen, lässt das Eintauchen in diese Welt zum Verweilen werden. Ein abstrakter Löwenzahn mit Wurzeln und Pusteblume auf einem Bild gibt sich ein Stelldichein mit einer Autoschlange. Hier sind Matchbox-Autos eingebaut, »eine etwas andere Art des Recycling«, wie Wiebke Thieme schmunzelnd betont.
Die Landschaft Kirchlengerns, am Rande dargestellt, krönt dieses Fensterbild. Das hat seinen Grund, denn vor etwa 45 Jahren schlug die gebürtige Niedersächsin ihr Domizil in der Elsegemeinde auf. 17 Jahre später folgte der Umzug nach Randringhausen. Das Glasblasen hatte sie damals schon erlernt.
Doch wenn sie heute an ihr kunstvolles Werk geht, so verarbeitet sie einen so genannten »Zylinder« aus mundgeblasenem Echt-Antikglas - ihn kauft sie zuvor bei einem Glasbläserbetrieb ein - zu Glasplatten. Daraus entstehen dann die ideenreichen Fensterbilder, die ein Wohnzimmer in ein eigenwillig-fantasievolles Ambiente verwandeln können.
Seit 7.000 Jahren existiert der Werkstoff Glas und seit 2.000 Jahren beherrscht der Mensch die Kunst des Glasblasens. Quarzsand, Soda und Kalk, bei hohen Temperaturen geschmolzen, ist nach dem Erkalten ganz klar. Ein vorher undurchsichtiges Gemenge wird so zu einem der faszinierenden Materialien: Glas.
Die Techniken Bleiverglasen, Schwarzlotmalerei oder Glasmontage beherrscht die 70-Jährige aus dem Effeff. Neben dem Antikglas verwendet sie auch Glasklumpen, Achatscheiben, Versteinerungen oder Stacheldraht. Warum sie nicht male, wurde sie gefragt. »Die vielen interessanten Techniken bei der Blei- und Glasverarbeitung sind der Grund«, erläutert sie, »ebenso das viele Werkzeug, das ich benötige«.
Ihre Enkelkinder bereiten der sechsfachen Großmutter viel Freude, »sie erinnern mich an meine Berufstätigkeit in der Schule«. Inseln zu bereisen ist ein weiteres Hobby der Junggebliebenen. So zählten die Azoren, Zypern, Madeira, Guernsey und Island unter anderem zu ihren Reisezielen. Zweimal war sie bereits in China, dort hat sie echte chinesische Malerei eingekauft, für die sie - neben den Fensterbildern - wohl auch einen interessierten Kundenstamm finden dürfte.
Die »Autoschlange« hat übrigens im Bürgermeisterbüro Kirchlengern einen Ehrenplatz erhalten. Der damalige Bürgermeister Werner Helmke, bei einer Ausstellung von Wiebke Thieme anwesend, zeigte sich begeistert von diesem Fensterbild. So hielt diese Kunst Einzug in die eher sachliche Welt der Politik.

Artikel vom 14.01.2006