28.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Angelegenheit
des Herzens«

Roswitha Löhr hilft Kindern in Venezuela

Von Alexandra Rüther
Erkeln (WB). Warum sie das macht, kann Roswitha Löhr nur so beschreiben: »Es ist mir eine Her-zensangelegenheit, und ich muss es einfach tun.« Ihr Bruder lebt in Caracas. Seit die 65-Jährige vor zwölf Jahren das Kinderheim »José Gregorio Hernández« kennengelernt hat, engagiert sich die Frau aus Erkeln im Kreis Höxter für die kleinen und großen Bewohner des Hauses in Venezuela.

Roswitha Löhr setzt sich jeden Tag an ihren angestammten »Arbeitsplatz« und stickt. Hat sie genug Tischdecken, Kissenhüllen, Weihnachts- oder Osteranhänger fertig, stellt sie wieder einen Basar auf die Beine. Achtmal hat sie bereits ihren Keller in einen Verkaufsraum verwandelt und die Handarbeiten zu Geld gemacht. Geld, das zu 100 Prozent den Kindern in Venezuela zugute kommt.
In Erkeln hat sie mittlerweile an die zehn Mitstreiterinnen, die für sie stricken, häkeln und sticken. »Ohne diese Hilfe könnte ich so einiges nicht schaffen«, freut sich Roswitha Löhr über das Engagement ihrer Mitbürgerinnen.
Auch ihre Familie steht voll hinter ihr. »Meine Schwägerin wohnt in Hamm und organisiert dort inzwischen ebenfalls regelmäßig Handarbeits-Basare«, erzählt die Erkelnerin. Auch ihre 17-jährige Enkeltochter Lara unterstützt sie seit Jahren. »Vielleicht tritt sie ja mal in meine Fußstapfen«, meint Roswitha Löhr schmunzelnd.
Das Heim, das sie unterstützt, ist eine Autostunde von Caracas entfernt. Etwa 30 Kinder leben dort, Straßenkinder, die entweder Waisen sind oder aus verschiedenen Gründen nicht in ihren Familien leben können. »Viele Kinder wurden ausgesetzt, sie haben alkoholkranke Eltern, sie wurden sexuell missbraucht oder anderweitig körperlich misshandelt«, weiß Roswitha Löhr.
Drei Nonnen kümmern sich liebevoll um die Kinder, ermöglichen ihnen eine Schulausbildung. Das Heim bekommt keine staatliche Unterstützung, sondern ist auf Spenden angewiesen. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage Venezuelas würden diese Spenden aber immer geringer oder blieben ganz aus. »Dazu kommt jetzt noch, dass Hugo Chardez, der diktatorische Regierungschef in Venezuela, keine Devisen mehr ins Land lässt«, beschreibt Roswitha Löhr die Schwierigkeiten. Sie hat das eingesammelte Geld immer überwiesen - bis es eines Tages nicht bei den Schwestern in Caracas ankam. »Ich habe sofort die Deutsche Botschaft eingeschaltet, und die Mitarbeiter haben es tatsächlich ermöglicht, dass das Geld schließlich doch an das Heim geflossen ist«, freut sich die 65-Jährige. Seitdem verzichtet sie allerdings auf Überweisungen, hat Freunde und Bekannte, die auf ihren Reisen nach Caracas das Geld mitnehmen.
Für den Sommer plant Roswitha Löhr, selbst nach Venezuela zu fliegen. Hatte sie sich 2005 noch von Warnungen ihres Bruders, der in Caracas lebt, und der deutschen Botschaft davon abhalten lassen, will sie sich jetzt auf jeden Fall selbst wieder ein Bild vor Ort machen. Sie will sehen, wie das Heim nach dem Umbau aussieht, wie die neuen Nähmaschinen angekommen sind.
Die Vorbereitungen für die Reise laufen. »Natürlich ist es nicht ungefährlich«, weiß sie. Diebstähle in den Straßen von Caracas sind an der Tagesordnung, »die Menschen dort sind sehr arm«. Für die Deutsche wäre es undenkbar, dort alleine auf die Straße zu gehen. Glücklicherweise lebt ja ihr Bruder dort. »Vielleicht kann mich die Frau meines Neffen begleiten, sie ist Venezulanerin.«
Roswitha Löhr muss noch mit der Fluggesellschaft sprechen, ob sie Übergewicht wieder umsonst mitnehmen kann wie bei der letzten Reise. Dann könnte auch wieder ein Koffer voller Kindersandalen mitreisen. Müsste sie das Übergepäck bezahlen, würde sich der Aufwand nicht lohnen. »Dann kaufe ich benötigte Sachen lieber vor Ort in Venezuela. Für einen Dollar kann ich in Caracas den Teufel tanzen lassen.« Bis sie tatsächlich nach Venezuela fliegt, stickt sie weiter jeden Tag. Und freut sich an den neuesten Fotos, die ihr die Nonnen geschickt haben. Roswitha Löhr: »Die Kinder in dem Heim sind fröhlich. Das ist faszinierend schön.«

Artikel vom 28.01.2006