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Rezept auf Papier zu teuer

Sonderausstellung in Paderborn zur Medizin der Zukunft

Von Dietmar Kemper
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WB). Wer seinen Personalausweis als Pfand an der Info-Theke des Heinz Nixdorf Museumsforums in Paderborn abgibt, erhält eine elektronische Gesundheitskarte. Mit ihr kann der Besucher das neue Zeitalter der Medizin kennenlernen.

Als einziges Museum in Deutschland hat das HNF von der InterComponentware AG, einem Ableger des Software-Herstellers SAP in Waldorf, 200 Gesundheitskarten bekommen. Mit der Karte von »Eva Heilsam« oder »Friedrich Mustermann«, so die Namen unter den Lichtbildern, erstellen die Museumsgäste in der 80 Quadratmeter großen Sonderausstellung »Medizin à la Carte« elektronische Rezepte. Gestern abend wurde der praktische Anschauungsunterricht in Sachen Telematik im Beisein von 300 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen eröffnet.
Bis zum 2. April können die Ostwestfalen im »Showroom« der Dauerausstellung über die Geschichte der Computer die Medizin von morgen ausprobieren. »Ziel der Telematik ist es, sämtliche Institutionen des Gesundheitswesens miteinander zu verbinden und medizinische Daten auszutauschen«, sagte die Kuratorin der Ausstellung, Christine Pieper, dieser Zeitung. Allein 123 000 niedergelassene Ärzte, 65 000 Zahnärzte und 290 Krankenversicherungen werden vernetzt. Damit werden nicht nur die mehr als 300 Praxisverwaltungsprogramme auf CD-ROM, sondern auch die Rezepte auf Papier überflüssig. Zwei Millionen Rezepte in herkömmlicher Form kommen jedes Jahr in Deutschland zusammen. Eine Milliarde Euro kann gespart werden, wenn der Arzt die Medikamente auf der elektronischen Gesundheitskarte verordnet und speichert.
In Paderborn spielen Patienten gleichzeitig Arzt und wählen in der virtuellen Praxis per Mausklick zwischen 300 Arzneien aus. Mehr als drei Medikamente gleichzeitig können sie sich nicht verschreiben. Ein paar Meter weiter, in der virtuellen Apotheke, lösen die Besucher ihr Rezept ein. Ohne die vierstellige PIN-Nummer, die die 80 Millionen Versicherten künftig zusätzlich auswendig lernen müssen, läuft auch hier nichts. Karte in den Schlitz, Nummer eingeben und die Kenndaten des Versicherten werden auf einem Bildschirm angezeigt. Der Apotheker liest das Rezept und holt die Medikamente. Christine Pieper (33): »Der Eintrag auf der Karte wird gelöscht, denn sonst könnte sich der Patient die Medikamente in der nächsten Apotheke erneut besorgen.«
Im Museum werden sechs Kartenlesegeräte der Industrie, zwei Patientenkioske zum Blättern in den gespeicherten medizinischen Daten und eine elektronische Gesundheitsakte gezeigt. In ihr können Patienten Blutdruckwerte eingeben und sich den Verlauf grafisch anzeigen lassen. 2007 wird die elektronische Gesundheitskarte (eGK) flächendeckend eingeführt. Damit wolle der Technologiestandort Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit beweisen, sagte der Geschäftsführer des Zentrums für Telematik im Gesundheitswesen in Krefeld, Jürgen Sembritzki.

Artikel vom 13.01.2006