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Der Präsident umgarnt Merkel

Bush und die Bundeskanzlerin haben den »Draht zueinander« gefunden

Von Ulrich Scharlack
Washington (dpa). Einen Handkuss wie sein französischer Amtskollege Jacques Chirac vor einigen Wochen gab George W. Bush Angela Merkel zur Begrüßung nicht.
190 Gäste waren in die Residenz des deutschen Botschafters in Washington gekommen, um die neue Kanzlerin kennen zu lernen. Während eines Abendessens hatte Angela Merkel den scheidenden Notenbankchef der USA, Alan Greenspan (l), und den ehemaligen Außenminister der USA, Colin Powell als Tischnachbarn.Fotos: dpa

Aber der US-Präsident bemühte sich am Freitag im Weißen Haus auf seine Art redlich, für das erste Treffen mit der »Madame Chancellor« aus Germany eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen.
Freundlich, aber nicht überschwänglich begrüßte Bush die Kanzlerin. Zunächst war zu spüren, dass sich beide zuvor erst einmal - im Februar 2005 - kurz gesehen hatten. Aber anderthalb Stunden später präsentierten sich Bush und Merkel als ein Politiker-Paar, das offensichtlich schon einen Draht zueinander gefunden hat. Bush umgarnte am Ende Merkel im noblen East Room des Weißen Hauses sogar. »Sie ist smart. Sie ist fähig. Und sie hat eine Einstellung, die mir gefällt. Und sie liebt die Freiheit«, lobte er seinen Gast überschwänglich. Besonders habe ihm gefallen, wie sie ihm von ihrer Jugend in der DDR erzählt habe und wie da herausgekommen sei, wie sehr sie gegen Unterdrückung sei.
Ihrer Art entsprechend äußerte sich Merkel zwar weniger euphorisch. Aber auch sie hatte wohl die Einschätzung gewonnen, dass mit Bush eine gute und enge Partnerschaft aufgebaut werden kann. Sie sprach davon, dass mit der Begegnung nun ein »neues Kapitel« der deutsch-amerikanischen Beziehungen aufgeschlagen worden sei. Freilich, welche »Zeilen« dieses Kapitel dann haben werde, könne sie erst in einem Jahr sagen, fügte sie hinzu.
Auf Gerhard Schröders Nachfolgerin war Bush neugierig, wie umgekehrt Merkel auf den US-Präsidenten. Außenpolitisch in letzter Zeit nicht von Glück verfolgt, musste der US-Präsident aber den Besuch auch zu einem Erfolg machen, wie in Washington vielerorts analysiert wurde. Die US-Regierung sehe nun wieder die »Chance, die Verbindungen wieder aufzubauen«, schrieb die »Washington Post«.
Bei ihrem Treffen beschäftigte Bush und Merkel dann auch nicht mehr der deutsche Sicherheitsratsitz. Den stellt die großen Koalition ohnehin schon selbst nicht mehr so sehr ins Zentrum ihrer Außenpolitik. Rasch gingen beide auf die akuten internationalen Probleme ein. Im Blickpunkt: Iran. Dabei demonstrierten beide Einigkeit. Die Staatengemeinschaft müsse alles daran setzen, eine Atommacht Iran zu verhindern. Und das - im Gegensatz zur Irak-Krise vor drei Jahren - gemeinsam und nicht durch Alleingänge durch die eine oder andere Seite.
Auch der Kampf gegen den internationalen Terrorismus wurde angeschnitten. Vielleicht anders als der eine oder andere in der Heimat erwartet hatte, brachte Merkel auch bei Bush ihre Kritik am Gefangenenlager Guantánamo vor. Erwartungsgemäß nahm Bush hier die Bedenken nicht auf. Er reagierte aber keineswegs verärgert und verteidigte das Lager, über das es nach seiner Ansicht »einige falsche Einschätzungen gibt«.
Im Publikum verfolgte US-Außenministerin Condoleezza Rice den Auftritt der beiden. Sie musste über die Darstellung des neuen transatlantischen Duos schmunzeln. »Sie haben eine gute Basis gefunden«, meinte sie gut gelaunt.

Artikel vom 14.01.2006