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Jäger auf falscher Spur

Spaziergängern zu Unrecht mit Strafanzeige gedroht

Von Christian Althoff
Lippstadt (WB). Die zufällige Begegnung mit einem Jäger hat für ein Ehepaar aus Lippstadt ungeahnte Folgen gehabt. Jetzt droht dem betagten Waidmann eine Strafanzeige wegen versuchter Nötigung und falscher Verdächtigung.
Bernd und Ingeborg B.: Der Mann sollte einen Jäger angegriffen, seine Frau ihn gebremst haben.

Bernd B. (60) und seine Frau Ingeborg (61) hatten Ende November mit ihrem zweijährigen Enkel einen Spaziergang unternommen, als sie auf eine Treibjagd trafen. »Ich habe einen der Jäger gefragt, ob noch geschossen werde, und er hat geantwortet, die Jagd sei vorbei, man suche nur noch das Unterholz ab«, erinnert sich Bankkaufmann Bernd B. Um jedes Risiko für ihr Enkelkind auszuschließen, entschlossen sich die Großeltern dennoch, nach Hause zu fahren.
Zwei Wochen später fand Bernd B. das Schreiben eines Rechtsanwaltes aus Delbrück in seinem Briefkasten. Darin wurde er aufgefordert, 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen. Andernfalls werde Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen ihn erstattet. Der Bankkaufmann: »In dem Brief wird allen Ernstes behauptet, ich hätte dem Jäger gedroht, ihn umzubringen. Außerdem wurde ich beschuldigt, dem Mann einen wuchtigen Tritt in den Unterleib verpasst zu haben. Nur meine Frau Ingeborg habe mich daran gehindert, weiter auf den Jäger loszugehen«, zitiert der 60-Jährige aus dem anwaltlichen Schriftsatz. Durch »geeignete Ermittlungen« sei die Identität des Ehepaares festgestellt worden, teilte der Anwalt weiter mit.
Das Ehepaar ließ den Brief unbeachtet - bis die beiden im Bekanntenkreis immer wieder auf den angeblichen Vorfall angesprochen wurden. Bernd B.: »Da hatte der Jäger doch offenbar unter Nennung unserer Namen diese abenteuerliche Geschichte herumerzählt!« Bernd B. (»Wahrscheinlich hatte sich der Mann unser Autokennzeichen aufgeschrieben und war so auf uns gekommen«) und seine Frau nahmen sich eine Anwältin und setzten sich zur Wehr: »Wir wollten nicht Opfer einer Hetzjagd werden.«
Die Tatsache, dass das Ehepaar deutlich älter ist als die von dem Jäger beschriebenen Angreifer sowie der Umstand, dass der Täter einen Jogginganzug trug (Bernd B.: »So etwas habe ich überhaupt nicht«) ließen den Waidmann schließlich zu der Einsicht gelangen, dass er auf einer falschen Spur gewesen war. »Sie haben offenbar mit dem Vorfall nichts zu tun. Dem eingeschalteten Ermittler war ein Fehler unterlaufen«, ließ der Jäger über seinen Anwalt mitteilen.
Diese Zeilen reichen Bernd B. allerdings nicht: »Wir müssen die Sache gegenüber Bekannten immer wieder richtig stellen.« Rechtsanwältin Tanja Becker aus Lippstadt, die das Ehepaar vertritt: »Eine schriftliche Entschuldigung ist das Mindeste, was das Ehepaar erwarten kann. Und in Anlehnung an den Brief des Jägers halten wir es für angemessen, wenn er 200 Euro an den Sozialdienst katholischer Männer spendet.« Die Anwältin hat dem Jäger eine Frist bis zum 16. Januar gesetzt, anschließend will sie weitere rechtliche Schritte prüfen.
Die Fährte des eigentlichen Täter hat der Jäger übrigens noch nicht aufnehmen können.

Artikel vom 13.01.2006