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Eine Kreuzfahrt auf dem
Rhein hat Klasse und Stil
Jenseits von weinseliger Schunkelei die Kulturschätze aufs Edelste genießen
Einst waren es Dichter und Musiker, die sich vom Rhein inspirieren ließen. Sagen und Märchen ranken sich um den größten deutschen Strom, an dessen steilen Ufern schon die alten Römer ihre Reben pflanzten.
»Wenn das Wasser im Rhein voller Wein wär', ja dann möcht' ich so gern ein Fischlein sein!« Lieder wie dieses und Horden grölender Touristen in der Rüdesheimer Drosselgasse haben das Image des Flusses jahrelang geprägt. Dumpfdeutsches Spießertum lastete den Ausflugsfahrten an. Doch seit einigen Jahren gilt es wieder als schick, den Rhein zu bereisen und jenseits von weinseliger Schunkelei auf modernen Kreuzfahrt-Schiffen den Fluss und seine herausragenden Kulturschätze an den Ufern aufs Edelste zu genießen. Das hat wahrlich Klasse und Stil.
Die Reederinnen Gisa und Hedda Deilmann sprechen mittlerweile von einer wahren Renaissance des Rheins. Daher kreuzen dort seit diesem Jahr mit der »MS Heidelberg« und der »MS Casanova« gleich zwei Fünf-Sterne-Schiffe. Beide setzen die luxuriöse deutsche Kreuzfahrttradition, wie sie vom Hochseeschiff »MS Deutschland« bekannt ist, im Bereich der Flussfahrten um. Einige der siebentägigen Reisen werden 2006 auch »all inclusive« angeboten, denn immer mehr Gäste schätzen es, für Ausflüge und Getränke nichts extra zu zahlen.
Von Basel aus ist der Rhein für die Fahrgastschifffahrt freigegeben. Die Stadt an der deutsch-schweizerischen Grenze genießt vor allen Dingen bei Kunstliebhabern einen guten Ruf. Bevor man an Bord geht, sollte man unbedingt Jean Tinguelys monströse Maschinen-Kunst bestaunen - und wenn die Zeit noch reicht, auch der Fondation Beyeler einen Besuch abstatten, die herausragende Kunstwerke der Klassischen Moderne des 20. Jahrhunderts präsentiert. In Basels hübscher Altstadt beginnt die Fahrt von der Schweiz bis zur Nordsee.
Die Reise führt zunächst durchs Badische Weinland. Steuerbord grüßt der Kaiserstuhl, an dem erlesene Tropfen gedeihen, die von Winzern fabelhaft veredelt werden. Die klimatisch mildeste Region Deutschlands bildet die Einstimmung auf einen Abstecher nach Frankreich, in die größte Stadt am Oberrhein: Straßburg mit seinem weltberühmten gotischen Münster und der astronomischen Uhr, dem pittoresken Handwerkerviertel Petite France lädt zum Bummeln und Besichtigen ein.
Die folgende Rheinpassage ist für jeden Kapitän eine echte Herausforderung. Zwischen der Schleuse Iffezheim und Speyer gilt der Strom als besonders unfallträchtig, weil er in engen Windungen fließt. Also kommt für die Nachtpassage ein erfahrener Lotse an Bord.
Der kommende Morgen steht ganz im Zeichen des Weltkulturerbes, zu dem der Speyerer Marien- und Kaiserdom seit 1981 zählt. Seit der Zerstörung des burgundischen Klosters Cluny ist er der größte romanische Sakralbau der Welt.
Geht es in Speyer noch kirchlich-politisch zu, so steht Worms ganz im Zeichen der Mythologie und Sagenwelt. Die »Heidelberg« ankert direkt am Denkmal des Hagen von Tronje, der ein Tablett mit Preziosen in den Rhein zu schleudern scheint.
Worms - die Stadt der Nibelungensage! Ihr ist ein Museum gewidmet, welches sich als begehbares Hörbuch präsentiert. Kein Geringerer als Mario Adorf führt durch die Verse des deutschen Heldenepos, welches oft politisch missbraucht wurde. Worms hat dafür einen hohen Preis zahlen müssen: Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Immerhin hat man den prächtigen gotischen Dom retten können, der sich als stilistisches Sammelsurium präsentiert. Denn die romanischen Ursprünge des Gotteshauses sind ebenso sichtbar wie die später erfolgte barocke Gestaltung des Innenraums.
In Mainz ist im Gutenberg-Museum nicht nur eine seiner berühmten Bibeln, die zu den ersten gedruckten Büchern der Welt zählen, zu sehen. Die Besucher können auch selbst Hand anlegen, um auf einer Gutenberg-Presse die »schwarze Kunst« aktiv auszuüben. Die hübsche Mainzer Altstadt, der Dom und die Kirche mit Chagall-Fenstern zählen zu den weiteren Sehenswürdgkeiten, ehe es vorbei an Wiesbaden und Eltville nach Rüdesheim geht. Dort beginnt der »Romantische Rhein«, dank seiner hübschen Winzerorte und vielen Burgen zum Weltkulturerbe erklärt.
Koblenz und das Deutsche Eck an der Mosel-Mündung und das Siebengebirge bei Bonn folgen, ehe mit dem Kölner Dom eine weitere Welterbestätte auf die Kreuzfahrtgäste wartet. Über Düsseldorf und Xanten geht es dann nach Amsterdam - Hollands Hauptstadt mit den pittoresken Grachten und dem weltberühmten Rijksmuseum bildet den Abschluss der Rhein-Reise. Thomas Albertsen

Artikel vom 21.01.2006