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»Alle sollen mitverdienen«

Arminia-Kapitän Mathias Hain vergisst auch die Reservisten nicht

Novo Sancti Petri (WB). Mathias Hain (33) hat einen ausgeprägten Instinkt für das Wesentliche. Weder lässt ihn Hinrundenplatz elf euphorisch Purzelbäume schlagen, noch bedrückt ihn, dass Arminia Bielefeld mit 20 Punkten vier Punkte weniger auf dem Konto hat als zum gleichen Zeitpunkt in der Vorsaison. Im Gespräch mit Dirk Schuster verrät der Torwart des Bundesligisten, was für ihn und den DSC wirklich zählt.

Tabellenplatz oder Punktzahl: Worauf schauen Sie zuerst?Hain: Weder auf das eine noch auf das andere. Entscheidend ist der Abstand zum ersten Abstiegsplatz. Und der ist fast genau so groß wie vor einem Jahr.

Acht Punkte Vorsprung auf den Tabellensechzehnten sind eine Menge Holz. Hat sich Arminia vielleicht schon mehr als ein stabiles Fundament gezimmert?Hain: Es sollte unser Ziel sein, nochmal 20 Zähler zu holen. Mindestens. Denn durch die Rückkehrer Kauf, Gabriel und Kucera sowie die Neuzugänge Masmanidis und Wichniarek können wir ab sofort Ausfälle besser verschmerzen. Offensiv wie defensiv.

Der vergrößerte Kader birgt aber auch Gefahren in sich. Die Zahl unzufriedener Reservisten wird größer. Wie gedenken Sie in Ihrer Rolle als Kapitän diesem Problem zu begegnen?Hain: Indem man allen Spielern von vornherein klar macht, dass das kein Problem ist. Im Gegenteil. Jeder, der neu ist, hilft dabei, den Klassenerhalt zu schaffen. Davon profitiert im Endeffekt jeder.

Kann es sein, dass Sie Artur Wichniarek diese Denkweise nachdrücklicher vermitteln müssen als anderen?Hain: Das kann sein. Aber ein bisschen Egoismus steckt in jedem von uns. Ich habe mit Artur bereits darüber gesprochen. Er ist ein typischer Stürmer, hat den Anspruch, in jedem Spiel ein Tor machen zu müssen. Aber ich persönlich schätze Spieler mehr, die statt eine 90-prozentige Chance zu nutzen versuchen den besser postierten Mitspieler einzusetzen, um so eine 100-prozentige Chance daraus zu machen. Ich glaube, Artur hat das begriffen.

Als Kapitän ist es Ihre Aufgabe, die Arminia-Philosophie mitzutragen. Fällt es Ihnen gelegentlich schwer, den Mitspielern vorzuleben, wie sie sich in Bielefeld zu verhalten haben?Hain: Sagen wir mal so: Ich muss mich manchmal noch mannschaftsdienlicher verhalten, als ich eigentlich sollte.

Wie meinen Sie das?Hain: Ein Beispiel: Mit dem Mannschaftsrat haben wir ein Pokalprämien-System erarbeitet, von dem alle profitieren und nicht nur die, die in der Regel sowieso zum Kader zählen. So haben auch Heiner Backhaus, Tim Danneberg oder Pascal Formann etwas davon, wenn wir im Viertelfinale stehen. Die Jungs hauen sich im Training für den Erfolg genau so rein wie alle anderen. Also sollen sie auch mitverdienen.

Wenn's ums Geld geht, denken viele nur an sich. Ist Ihre Denkweise im modernen Profifußball nicht ein wenig antiquiert?Hain: Es sollte ein Umdenken einsetzen. Als es bei uns zuletzt darum ging, ob Verträge mit gewissen Spielern verlängert werden sollen oder nicht, bin ich zu Reinhard Saftig gegangen und habe gesagt: Wenn es an 500 oder 1000 Euro scheitert, bin ich gern bereit, bei meinem Gehalt darauf zu verzichten, weil ich weiß, dass diese Leistungsträger dabei behilflich sind, dass wieder Geld reinkommt, in dem sie dazu beitragen, die Klasse zu halten.

Vor einem Jahr führten Kritiker den Hinrundenerfolg darauf zurück, dass das Team als Aufsteiger unterschätzt worden sei. Die schwächere Rückserie schien das bestätigt zu haben. Jetzt aber steht Arminia wieder so gut da wie im vergangenen Winter. Ist der Erfolg in dieser Saison darum noch höher zu bewerten? Hain: Ich denke schon. Erst recht, weil wir vor dieser Serie viele namhafte Stammkräfte abgeben mussten. Dafür kamen etliche unbekannte Spieler wie Radim Kucera und Heiko Westermann. Darum gilt mein Kompliment der sportlichen Führung, die den Kader ganz gezielt verstärkt hat.

Apropos Heiko Westermann: Befürchten Sie, dass sein Name schon bald die lange Liste der Spieler erweitert, die sich Vereine mit dickerem Bankkonto unter den Nagel gerissen haben?Hain: Heiko zählt sicher zum engeren Kandidatenkreis. Er ist jung, ein Leistungsträger und ein deutscher Spieler. Damit sind alle wichtigen Kriterien erfüllt, um eine großartige Karriere zu machen. Aber er hat auch noch Luft nach oben. Wenn er es schafft, über 90 Minuten voll konzentriert zu sein, ist es nur eine Frage der Zeit, bis bei uns wieder mal ein großer Klub anklopfen wird.

Artikel vom 12.01.2006