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Die Seelen lassen sich nicht klonen

Kinofilm »Blueprint« in der ARD: Was es für einen Menschen bedeutet, eine Kopie zu sein

ARD, 22.45 Uhr: Neues aus der Welt der Klone: Iris Sellin ist eine berühmte Pianistin. Als bei ihr die Nervenkrankheit Multiple Sklerose diagnostiziert wird, sieht sie ihr einzigartiges musikalisches Talent schwinden.

Wie kann sie es retten? Iris sieht nur eine Möglichkeit: Sie muss sich klonen lassen. Dann wird ihre Tochter mit den gleichen Genen wie sie selbst geboren - eine Blaupause, ein »Blueprint«. Nach dem gleichnamigen Roman von Charlotte Kerner drehte Rolf Schübel (»Gloomy Sunday«) den Film, der 2004 in die Kinos kam und im September bereits bei Arte lief. Nun präsentiert ihn die ARD im Hauptprogramm.
Die junge Schauspielerin Franka Potente (»Lola rennt«) spielt sowohl Iris als auch ihre Klon-Tochter Siri (Iris rückwärts buchstabiert). In Rückblenden erzählt der Film aus der Einsamkeit Kanadas, in die Siri sich zurückgezogen hat, die Geschichte eines Mutter-Tochter-Konflikts und der Aussöhnung.
Obwohl das Klonen von Menschen verboten ist, findet Iris einen ehrgeizigen Mediziner, der sich auf das Wagnis einlässt - auch, um auf diesem Gebiet »der Erste« zu sein. Siri wächst zunächst als nichtsahnende Tochter auf, lernt wie die Mutter das Klavierspielen und erfährt dann doch die Wahrheit.
Damit gerät Siris Weltbild ins Wanken. Das Bewusstsein der eigenen künstlichen Entstehung, die genetische Identität mit der Mutter, die Vorbestimmung einer musikalischen Karriere - das alles ist zu viel für sie. Siri verweigert sich dem Masterplan der Klon-Mutter, sie kehrt der Musik den Rücken und flüchtet in die Weite und Stille Kanadas. Dort versucht sie, zu sich selbst zu finden. Und erst dort erfährt sie durch die Begegnung mit einem Menschen, was es heißt, um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Und als sie ans Sterbebett ihrer Mutter zurückkehrt, ist sie auch in der Lage zu verzeihen.
Der Film verzichtet bewusst auf eine wissenschaftliche oder medizinische Auseinandersetzung mit dem Klonen. Im Mittelpunkt stehen die beiden Menschen und ihr Gefühlsleben. Die Künstlerin, die aus egoistischen Motiven einen Menschen nach ihrem Abbild schaffen lässt, entwickelt dennoch Muttergefühle und hält es nicht für möglich, dass ihr »zweites Ich« sich von der Musik abwenden könnte. Die Tochter jedoch erleidet einen Schock, als sie von ihrer »zweitklassigen« Identität erfährt, empfindet sich als minderwertiges Lebewesen. Erst spät begreifen beide, dass jede von ihnen unverwechselbar ist: Denn Seelen lassen sich nicht klonen.

Artikel vom 12.01.2006