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Wahrig
Deutsches Wörterbuch

Panik: allgemeine Verwirrung, plötzlich ausbrechende, sinnlose Angst.

Leitartikel
Ein deutsches Problem

Ein Bazillus
mit dem
Namen Panik


Von Oliver Kreth
Es herrscht Panik in Deutschland. Nein, nicht in den WM-Stadien, in denen vom 9. Juni an die Welt zu Gast bei Freunden ist, sondern in den Köpfen nationaler Bedenkenträger. Die sehen schon Brandkatastrophen und totgetrampelte Fußball-Fans in den schmucken Spielstätten. Eine grausige Kopfgeburt. Denn was ist bisher geschehen? Nichts. Die Stiftung Warentest hat nur festgestellt, dass nationale und internationale Bauvorschriften nicht mehr unbedingt neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen genügen. Dabei vernachlässigte sie allerdings, dass zum Beispiel bei der so genannten Entfluchtung in einigen der überprüften zwölf Sportstätten ganz andere Konzepte greifen als die, die jetzt zugrunde gelegt worden sind.
In der Wirklichkeit gehören Fußball-Stadien - statistisch gesehen - mit zu den sichersten Orten. Weltweit starben dort seit dem Ende des 2. Weltkrieges im Schnitt monatlich 2,07 Menschen bei Panik-Ausbrüchen und deren Folgen. Bei Milliarden von Besuchern doch eine wirklich beruhigend niedrige Zahl.
Doch wir Deutschen - auch wir Medien - haben die Panik lieb. Nach der Tragödie von Bad Reichenhall suchte man Verantwortliche und meinte sie zur allgemeinen Beruhigung (Welches Gebäude in Deutschland ist überhaupt noch sicher?) auch schnell gefunden zu haben: Viele schrieben und sprachen davon, dass an der Eissporthalle gravierende Mängel schon seit längerem bekannt und nicht behoben worden seien. Wohl wahr. Doch betrafen diese Erkenntnisse nicht die jetzt zusammengebrochene Dachkonstruktion sondern die renovierungsbedürftige Elektrik. Also weiter zittern oder was?
Beispiel Vogelgrippe. Die ist seit 100 Jahren bekannt. Betrachtete man die Schlangen vor deutschen Apotheken, musste man aber denken: Nicht Geimpfte sterben am Subtyp H5N1 wie die Eintagsfliegen. Passiert ist dabei in Deutschland auch noch - nichts. Wie sagte doch ein Kabarettist ganz treffend: »Die nicht ganz so Schlauen haben sich das Grippe-Medikament gekauft, die Klugen die Aktien der Hersteller-Firma.«
Der Umgang mit der Vogelgrippe in Deutschland erinnert an den mit dem Pestausbruch, der »Geißel des Mittelalters«, 1994 in Indien. Knapp 200 Tote gab es auf dem Subkontinent bei damals mehr als 900 Millionen Menschen. Epidemien sehen anders aus. Die Hysterie fand in Deutschland statt. Die Bazillen haben die Krankheit gebracht, viele Journalisten haben Panik geschürt.
Schreiber und Epidemien - das passt in etwa so zusammen wie Feuer und Benzin. Die Pest im Kopf - das ist die ansteckendste Variante. Du brauchst nur darüber zu lesen und wirst schon krank.
Schönredner und schlampig hat man damals in deutschen Medien die indischen Ärzte genannt, dabei haben sie uns gezeigt, wie es geht: Man soll nicht blinde Panik, sondern einen klaren Kopf verschreiben. Dann kriegt man auch die Vogelgrippe und die Fußball-WM in den Griff.

Artikel vom 12.01.2006