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BND half den USA im Irak

Während der Bombardierungen aktiv - Parlamentarisches Nachspiel folgt

Berlin (dpa). Ungeachtet der offiziellen Ablehnung des Irak-Krieges durch die rot-grüne Bundesregierung haben Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Frühjahr 2003 den US-Truppen in Bagdad zugearbeitet.

Der BND habe den USA aber nicht bei der Erfassung von Bombenzielen oder der Suche nach Saddam Hussein geholfen, erklärte der damalige Geheimdienst-Koordinator und jetzige BND-Präsident Ernst Uhrlau gestern in Berlin. Der von der Regierung gebilligte Bagdad-Einsatz der deutschen Agenten wird voraussichtlich ein parlamentarisches Nachspiel haben. Alle im Bundestag vertretenen Oppositionsparteien wollen am 18. Januar Aufklärung von der Bundesregierung verlangen.
Der BND bestätigte zwar den Einsatz mehrerer Mitarbeiter. Präsident Ernst Uhrlau schloss aber mit Nachdruck aus, der BND habe Koordinaten oder Pläne für Bombardierungsziele an die US-Truppen gegeben, wie die »Süddeutsche Zeitung« und das ARD-Magazin »Panorama« behauptet hatten. Der frühere Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, die BND-Mitarbeiter hätten »in deutschem Auftrag ein Mindestmaß an eigenen Erkenntnissen über die Entwicklung im Irak und den Kriegsverlauf« erlangen sollen. Die Gefährdungslage der in Kuwait stationierten deutschen ABC-Abwehrkräfte, darunter Soldaten aus Höxter, habe abgeschätzt werden müssen. Die Bundesregierung habe den Irak-Krieg stets abgelehnt.
Uhrlau sagte: »Wir waren nicht an der Verfolgung Saddam Husseins beteiligt.« Anders als behauptet seien vor dem Bombenangriff der US-Luftwaffe auf einen vermuteten Aufenthaltsort des irakischen Präsidenten am 7. April auch keine BND-Mitarbeiter am Ort gewesen. Der BND habe Koordinaten von Einrichtungen weitergegeben, die ausdrücklich nicht bombardiert werden sollten.
Berichten zufolge gehörten dazu Krankenhäuser oder Botschaften. Man habe hier mit anderen, nicht Krieg führenden Staaten zusammengearbeitet.
FDP-Chef Guido Westerwelle sprach von »sehr schwer wiegenden Vorwürfen«. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer sagte: »Die Gründe dafür, einen Untersuchungsausschuss zu wollen, sind eher dringender geworden.«
Der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Oskar Lafontaine, sagte zu dem BND-Einsatz: »Sollte der heutige Außenminister davon gewusst haben, wäre er kaum noch zu halten«.
Die Linkspartei-Abgeordneten Petra Pau und Gesine Lötzsch erwägen einen Gang vor das Verfassungsgericht, um eine etwaige Verletzung der Rechte des Parlaments prüfen zu lassen.
Einem Untersuchungsausschuss muss wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag die gesamte Opposition zustimmen. Bisher hatten die Grünen der Regierung noch etwas Zeit zur Aufklärung der deutschen Geheimdienstaktivitäten im Anti-Terror-Kampf geben wollen. Der Ausschuss würde sich aller Voraussicht nach auch mit anderen Aspekten des so genannten Anti-Terror-Kampfes befassen, etwa den Geheimflügen der CIA oder der Verschleppung des Deutschen Khaled E-Masri.
Die »SZ« berichtet, zur Arbeit der BND-Agenten während des Krieges im Irak habe auch eine Kooperation mit dem US-Militärgeheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) gehört. »Panorama« zitiert einen ehemaligen Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wolle, mit den Worten: Die BND-Mitarbeiter »gaben uns direkte Unterstützung, sie gaben uns Informationen für die Zielerfassung«.
Aus Sicherheitskreisen verlautete, man werde in Fragen eines Agenteneinsatzes bei Bedarf erneut dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichten. Seite 4: Hintergrund und Kommentar

Artikel vom 13.01.2006