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Kritik am Polizeipräsidenten

Bielefelds Behördenchef irritiert Minister und eigene Mitarbeiter

Von Jens Heinze
Bielefeld (WB). Mit seinem Vorschlag, Bagatellverkehrsunfälle künftig von Privatpersonen aufnehmen zu lassen, stößt Bielefelds Polizeipräsident Erwin Südfeld auf Unverständnis bei NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) sowie Bielefelder Polizisten. Kritiker aus den eigenen Behörde halten dem 57-jährigen Behördenchef Profilierungssucht vor.
Polizeipräsident Erwin Südfeld sorgt für Irritationen.

Bereits vor zwei Jahren war eine Arbeitsgruppe des NRW-Innenministeriums zu dem Schluss gekommen, dass eine Unfallaufnahme durch Privatpersonen rechtlich nicht möglich ist. Dagegen hatte Bielefelds Polizeipräsident Südfeld angesichts von Kürzungen im Etat und beim Personalbestand gefordert, dass sogenannte Bagatellunfälle ohne Verletzte nicht mehr von Polizisten, sondern Mitarbeitern der Kfz-Versicherungen protokolliert werden sollten.
Auf Nachfrage dieser Zeitung erklärte der Chef der größten Polizeibehörde Ostwestfalen-Lippes, dass es erlaubt sein müsse, über eine Aufgabenstraffung bei der Polizei nachzudenken. Mit seiner Forderung »Versicherungsvertreter statt Polizisten« stellt sich Südfeld nach Meinung von Mitarbeitern seiner Behörde jedoch klar gegen den Runderlass des Innenministeriums zum Thema »Aufgaben der Polizei bei Straßenverkehrsunfällen«.
- Denn: In der seit dem 11. Mai 1998 gültigen Anweisung für alle NRW-Ordnungshüter ist unter Punkt 1 »Allgemeine Grundsätze« festgeschrieben, dass »die Polizei jedem ihr bekanntgewordenen Verkehrsunfall nachgeht«.
- Zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, heißt es weiter, habe die Polizei den Sachverhalt zu erforschen und die erforderlichen Beweise zu sichern.
- Zur Unfallaufnahme durch Privatermittler wird unmissverständlich klargestellt: »Nehmen Unfallbeteiligte private Beweissicherungsdienste (etwa von Versicherungen/Anmerkung der Redaktion) in Anspruch, wird hierdurch die polizeiliche Verkehrsunfallaufnahme nicht berührt.«
Inoffiziell werden im Innenministerium Südfelds öffentlich geäußerte Gedanken als »kontraproduktiv« bewertet. Auf offizielle Anfrage formuliert Ministeriumssprecher Wolfgang Beus: »Gedanken kann ja jeder haben.« Beus betonte, die Unfallaufnahme durch Versicherungsvertreter stehe nicht zur Debatte.
Unverständlich ist die Forderung des Polizeipräsidenten auch den eigenen Beamten: Ihr Chef habe binnen vier Wochen eine Wende um 180 Grad hingelegt, heißt es. Noch im Dezember habe Südfeld versichert, dass die Aufnahme von Bagatellunfällen Aufgabe der Polizei bleibe.
Zudem wurden Bielefelds Polizisten in Sachen Ahndung von Verkehrsunfällen auf die Linie der schwarz-gelben Landesregierung eingeschworen. Denn nicht mehr nur mit dem milde erhobenen Zeigefinger, wie unter der rot-grünen Vorgängerregierung üblich, sondern mit spürbaren Folgen für ihren Geldbeutel sollen Unfallverursacher wieder für ihr Fehlverhalten zur Kasse gebeten werden.
Diese Nachschulung fürs Unfallgeschehen passt nach Meinung vieler Ordnungshüter ebenfalls nicht zu Südfelds Ruf, Polizisten durch Versicherungsvertreter im Straßenverkehr zu ersetzen. Der »sozialdemokratisch orientierte« Bielefelder Polizeipräsident wolle sich offenbar gegenüber NRW-Innenminister Ingo Wolf (FDP) nur »profilieren« statt wichtige Themen voranzubringen, hieß es am Freitag von verärgerten Beamten. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 14.01.2006