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Wodka statt Wasser: 
Unfall mit 2,9 Promille

Deutsch-Kasache saß volltrunken am Steuer - Geldstrafe

Bielefeld (hz). Mit einer ebenso amüsanten wie utopischen Geschichte versuchte gestern der Deutsch-Kasache Alex H. (43), Amtsrichter Klaus Schmitz zu erklären, warum er nach einem Unfall in Sieker stattliche 2,95 Promille Alkohol im Blut gehabt hatte.

Ursprünglich habe er völlig nüchtern am Steuer seines Renault-Lieferwagens gesessen, behauptete der 43-Jährige treuherzig. Doch nach der Karambolage mit einem zweiten Fahrzeug im Kreuzungsbereich Detmolder/Otto-Brenner-Straße hätten erst seine Nerven und dann seine Hände geflattert. Um sich zu beruhigen, griff Alex H. zu den im Auto gelagerten Einkäufen und will dabei die Flasche verwechselt haben: Statt erfrischendem Mineralwasser floss hochprozentiger Wodka durch seine Kehle.
Richter Schmitz schenkte der Aussage des Angeklagten allerdings keinen Glauben und verurteilte den 43-Jährigen unter anderem wegen fahrlässiger Verkehrsgefährdung infolge von Trunkenheit zu einer Geldstrafe von 1050 Euro. Obendrauf gab es eine Führerscheinsperre von weiteren zwölf Monaten. Die Fahrerlaubnis war dem Deutsch-Kasachen bereits am Tattag, dem 20. Juli vergangenen Jahres, entzogen worden.
Die drei übrigen Zeugen - der aus Paderborn stammende Fahrer (53) des zweiten Unfallfahrzeugs sowie zwei Bielefelder Polizeibeamte (32/41) - hatten beim gestrigen Prozess eine ganz andere Schilderung des Geschehenen gegeben. So war der Angeklagte am 20. Juli gegen 15.30 Uhr mit seinem Wäscherei-Lieferwagen auf der linken, stadtauswärts führenden Spur der Detmolder Straße im Kreuzungsbereich zur Otto-Brenner-Straße unvermittelt nach rechts gezogen. Dort rammte er den neben ihm fahrenden Wagen des Paderborner Diplomingenieurs an der linken hinteren Tür. Verletzte gab es nicht, der Gesamtschaden betrug allerdings beachtliche 7500 Euro.
Nachdem Alex H. direkt nach der Karambolage die Schuld dem Paderborner zugewiesen hatte, rief dieser die Ordnungshüter zu Hilfe. Polizeikommissar Stefan T. stellte Alkoholgeruch beim Deutsch-Kasachen fest und wies ihn an, in den Alkotester zu pusten. Statt der Aufforderung Folge zu leisten, flüchtete der 43-Jährigen zum Gelände des nahe gelegenen Eastend-Towers. Am Hochhaus wurde der wild um sich schlagende Unfallfahrer von Kommissar T. und Kollegen erst nach dem Einsatz von Pfefferspary überwältigt und mit Handschellen gefesselt zum Unfallort zurück gebracht.
Weder die Ordnungshüter noch der Paderborner Ingenieur aus dem zweiten Unfallwagen hatten beobachtet, dass der Angeklagte unmittelbar nach der Karambolage in seinem Auto zur Flasche gegriffen hatte, um die Nerven zu beruhigen. Nach Aussage des Paderborners habe Alex H. dazu auch gar nicht die Möglichkeit gehabt: Die Polizei sei sehr schnell vor Ort gewesen, bis dahin habe der Unfallverursacher neben den beschädigten Fahrzeugen auf der Detmolder Straße gestanden.
Zwei weitere Tatsachen sprachen gegen den 43-Jährigen: Alex H. ist einschlägig vorbestraft - er war bereits im Sommer 2001 wegen Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden. Und am Tattag des 20. Juli hatte bereits die Gütersloher Polizei nach dem Deutsch-Kasachen gefahndet, denn bevor es in Sieker zur Karambolage kam, war der Mann, Schlangenlinien fahrend, im Nachbarkreis aufgefallen.
Immerhin: Der in Rietberg (Kreis Gütersloh) lebende Angeklagte legte gestern vor Gericht ein Teilgeständnis ab. Weil seine Frau und Mutter der beiden gemeinsamen Kinder im Sommer 2005 nach 22 Ehejahren die Scheidung eingereicht hatte, will Alex H. aus Verzweiflung schon in der Nacht vor dem Unfall eine Flasche Kräüterlikör geleert haben.

Artikel vom 11.01.2006