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British Columbias großer
Skispaß im weißen Nichts
Beim Heliskiing in den kanadischen Rockies erlebt man echtes Abenteuer
Anfang April, so sagen die eingefleischten Schneefüchse, wenn kaum ein »Normalo« mehr ans Ski fahren denkt, ist in Kanada eine der besten Zeiten fürs Heliskiing. Von Vancouver fliegt man noch ein bisschen weiter nördlich bis nach Fort St. John, einer unscheinbaren Kleinstadt ohne Designerboutiquen und Wolkenkratzer.
»Ihr seid Olaf und Frank«, sagt auf einmal eine Stimme hinter uns in breitem Norddeutsch, als wir am Gepäckband stehen und auf unsere Ausrüstung warten. »Ich bin Rainer und bringe Euch zur Torwood Lodge«, sagt der Unbekannte. »Lucky Luke höchstpersönlich« schießt es mir durch den Kopf, als wäre er mal eben ganz lässig aus dem Comic 'rausgesprungen. Aber es war Rainer Maas, der Besitzer von Peace Reach Heliskiing.
Während wir so gemütlich auf dem Alaska Highway, neben uns die Trans-Canada-Pipeline, Richtung Norden cruisen, erzählt uns Rainer eine Anekdote nach der anderen aus seinem bewegten Vorleben und wie er dazu kam, hier, in British Columbia, am Williston Lake bei Hudson Hope, sein Unternehmen zu gründen.
Eine luxuriöse Lodge für bis zu 16 Gäste wurde errichtet. Totale Autarkie war die Grundvoraussetzung. Strom, Heizung, ja sogar Telefon waren hier draußen Fremdwörter. Beheizt wird die komplette Torwood Lodge mit einem überdimensionalen Spezial-Holzofen, der im Freien steht und dessen Lieblingsmahlzeit möglichst dicke, bis zu zwei Meter lange Baumstämme sind. Aus Generatoren wird der Strom für die komplette Elektrik und für die Heizkörper erzeugt.
Von der Regierung pachtete Rainer ein gut 8000 Quadratkilometer großes Areal, ein Gebiet, ungefähr so groß wie die Triangel München-Ingolstadt-Ulm. Der Kontrakt mit einem Helikopter-Unternehmen wurde unterzeichnet, die besten Helipiloten und Guides angeheuert und »schon« konnte es losgehen. Was fehlte, waren eigentlich nur die Gäste. »Ohne Internet«, bemerkt Rainer, »hätte ich es niemals gewagt, so ein Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Boden zu stampfen«.
Von der Terrasse aus hat man den besten Blick auf den See, die wilden Wapiti-Hirsche und die Gipfel der Rocky Mountains. Da hinten liegt es also, das Ziel meiner vielen verträumten Stunden. Trotz strahlender Sonne fühlst Du Dich von einem Schlag auf den anderen wie ein kleines Licht. Wir können es kaum erwarten, dass Tour-Guide Nick endlich zum »Mountain-Attack« bläst. Wir springen von der Tafel auf, hinein in unsere Skiklamotten und stolzieren auf den für nur vier Passagiere (plus Pilot und Guide) ausgelegten A-Star-Helikopter zu, der für die nächsten sieben Tage unser fliegender Skilift sein wird.
Unsere Fat Boys, das sind irre breite Ski ohne jegliche Taillierung und für heutige Maßstäbe fast schon anachronistisch lang, liegen abflugbereit im Drahtkorb des Helis. Ein gekonnter Schwenker über die Lodge und schon surrt der Heli über den See. Die Berge kommen immer näher, und nach zehn Minuten befinden wir uns in der reinsten Märchenlandschaft. Berge, Berge, so weit das Auge schauen kann. Bizarre Felsformationen, »liebliche« Hügel und erhabene Giganten, alles schön wohlfeil durchgemischt.
Chris steuert auf einen Berg zu, fliegt über ihn drüber, fliegt um ihn herum und in Absprache mit Nick über Kopfhörer, lässt er plötzlich von ihm ab. Noch zweimal erleben wir dieses Schauspiel. Dann setzt der A-Star plötzlich irgendwo im Nirgendwo auf. Wir springen raus, der Schnee wird von den Rotorblättern gnadenlos in unser Gesicht gepeitscht. Nick befreit unsere Tiefschnee-Geräte aus ihren Käfigen und legt sie neben den Helikopter. Ich schließe die Tür, zeige Chris meinen nach oben gerichteten Daumen - alles okay, Tür ist zu! So schnell er da oben gelandet ist, so schnell ist er auch schon wieder weg. Und dann abrupte Stille, ehrfürchtige Stille. Die stillste nur vorstellbare Stille. »Und wie heißt der Berg hier, auf dem wir uns befinden?« frage ich Nick. »Gib ihm doch einfach deinen Namen!« strahlt er mich an.
Das ist unser Claim. Wir sind begierig darauf, dem Hang mit unseren breiten Brettern einen ersten Stempel aufzudrücken. Ich stoße mich ab, reihe einen Turn an den anderen. Zöpfchenflechten war einmal vor Urzeiten. Flüssiges Gleiten ist heutzutage angesagt. Scheinbar ohne festen Untergrund surfe ich die leichten Geländewellen ab. Wie ein Astronaut tauche ich in den Zustand der Schwerelosigkeit ein. Sanft heben sich die Fattys aus dem Schnee, ich fliege und erlebe die Welt um mich in Zeitlupe. Der Planet Erde mutiert vom harten Gesteinsbrocken zum Softball. Der Schnee stiebt mir über meine Skibrille. Ich schnappe nach Luft, bin versunken in eine weiße Welt, in der ich mich wohl fühle, wie ein Baby in der Wiege.
Jetzt lasse ich die Teile gehen wie ein zügelloses Pferd. Die feine Gischt im Rücken wird länger und länger. Die weiße Flanke geht über in einen Hang mit lichtem Baumbestand - Tree-Skiing vom Feinsten. Slalomstangen mit grünen Nadeln. Die Oberschenkel fangen jetzt langsam an zu brennen. Aber da hinten, auf der Lichtung, wartet schon Chris mit seinem Heli. Noch vier, fünf Schwünge und ich bleibe neben ihm stehen. Nick freut sich, dass niemand seine Spur zerstört hat. Er hat in weiten Radien den Berg verziert wie eine geschwungene Sahnelinie eine Torte. Der Rest der Truppe hatÕs zum Einfahren erstmal Direttissimo gemacht.
Frank Heinzl
www.pulver-schnee.de
www.peacereachheliski.com

Artikel vom 14.01.2006