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Der Bundestag schaltet sich ein

Nach Wirbel um die WM-Stadien: runder Tisch mit den Organisatoren

Berlin (dpa). Der sportpolitische Wirbel um die Sicherheit der zwölf Fußball-WM-Stadien hat den Bundestag erreicht.

Der Sportausschuss des Parlaments wird am 18. Januar über die von der Stiftung Warentest in einer Studie aufgelisteten Sicherheitsmängel beraten und dazu Vertreter der Bundesregierung als Berichterstatter einladen. Peter Danckert (SPD), Vorsitzender des Gremiums, forderte das WM-Organisationskomitee (OK) zu einem »runden Tisch« über die Konsequenzen für die Sicherheit auf.
Das WM-OK zeigte sich offen. »Der erste Schritt aber muss jetzt die ruhige, offene, sachorientiere und intensive Analyse der Studie für jedes einzelne Stadion sein«, sagte OK-Sprecher Jens Grittner.
Der SPD-Politiker Danckert äußerte zugleich einen bösen Verdacht: Er frage sich bei manchen Fußball-WM-Stadien, »ob die Bauprüfung ernsthaft durchgeführt wurde oder ob die Behörden lediglich gut bewirtet wurden«.
Die Stiftung Warentest hatte am Dienstag Sicherheitslücken in den WM-Arenen aufgelistet und bei vier Stadien sogar von »erheblichen Sicherheitsmängeln« gesprochen. Nach ihrer Einschätzung könnten einige Stadien im Fall einer Massenpanik zur tödlichen Falle für die Zuschauer werden. Das Organisationskomitee der WM reagierte zunächst empört und betonte, alle Arenen seien sicher.
Der für den Sport verantwortliche Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach sich erneut dafür aus, die Sicherheit der Stadien noch einmal in einzelnen Punkten zu überprüfen. Gleichzeitig warnte er vor Hysterie. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) sprach von unnötiger Aufregung. Sollte es Anlässe geben, etwas zu verbessern, werde man das tun, sagte er: »Wir verfeinern unsere Sicherheitskonzepte ständig, so dass es ein normaler Prozess ist.«
Zur Brisanz der Sicherheitsmängel sagte Danckert: »Wir können die Augen nicht verschließen. Wir müssen das ernst nehmen, was da gemacht worden ist. Denn wenn wir nichts machen würden, dann wären wir ja in der Situation, dass wir uns hinterher, sollte wider Erwarten da ein schreckliches Unglück passieren, alle schwerste Vorwürfe machen müssten.«
Der SPD-Politiker unterstrich, der Bund müsse trotz fehlender Zuständigkeit alles unternehmen, damit die Sicherheitslücken geschlossen werden. »Bis zur Fußball-WM ist noch genügend Zeit, die festgestellten gravierenden Mängel bei Brandschutz, bei den Fluchtwegen und den Evakuierungsmöglichkeiten abzustellen.«
Zur Beseitigung der Sicherheitsmängel müsse laut Danckert auch der Bund beitragen. Er habe zumindest für das Berliner Olympiastadion und das Leipziger Zentralstadion eine gewisse Verantwortung, »weil sie erst vor kurzem mit mehreren Millionen Euro Steuergeld saniert worden sind«. Minister Schäuble schlug vor, dass das Organisationskomitee der WM, das Bundesbauministerium und die lokalen Behörden die Ergebnisse der Sicherheitsstudie der Stiftung Warentest gemeinsam überprüfen.
Besonders im Blickpunkt stehen weiter vier Arenen: Das Olympiastadion in Berlin, in dem am 9. Juli das Finale stattfindet, die Veltins-Arena in Gelsenkirchen und das Zentralstadion in Leipzig haben laut Studie »erhebliche« Baumängel, weil die Zuschauer wegen fehlender Fluchttore im Notfall nicht auf das Spielfeld laufen können. Durch drängende Menschen könne »innerhalb kürzester Zeit ein so hoher Staudruck entstehen, dass sogar eisenarmierte Betonmauern nachgeben«, hieß es. Das Fritz-Walter Stadion in Kaiserslautern habe »erhebliche Mängel« beim Brandschutz.
OK-Chef Franz Beckenbauer hatte schon vor der Veröffentlichung Kritik an der Studie geäußert: »Mir reicht's mit diesem Heer der Besserwisser und Wichtigtuer, die sich profilieren wollen.«

Artikel vom 12.01.2006