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Wolfgang Schäuble
warnt vor Hysterie

Panik-Forscher: »Stadionbetreiber ignorieren Forschung«

Berlin (dpa). Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble warnt nach den Veröffentlichungen der Stiftung Warentest zur Sicherheit der WM-Stadien vor Hysterie und bietet eine Prüfung der vorgebrachten Sicherheitsbedenken an.

»Wir nehmen die Bedenken ernst und es ist im Sinne der WM-Zuschauer aus Deutschland und der ganzen Welt, dass die Stadien 150 Tage vor WM-Beginn noch einmal von unabhängiger Stelle überprüft worden sind«, sagte Schäuble.
»Die vorgelegten Ergebnisse verbieten nach der ersten Bewertung durch unsere Experten allerdings jegliche Panikmache. Die zwölf WM- Stadien sind unter modernsten baulichen Normen, unter Einbeziehung der FIFA-Auflagen und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse erbaut oder umgebaut worden. Beim erfolgreichen Testlauf Confederations Cup und in der Fußball-Bundesliga wurden und werden die Arenen regelmäßigen Praxistests unterzogen. Diese haben die WM- Stadien, mit Ausnahmen, gut bestanden.«
Der für die WM-Garantien der Bundesregierung zuständige Minister sagte jedoch zu, in Kooperation mit dem Bundesbauministerium, dem WM-OK, den betroffenen Bundesländern und den Sicherheitsexperten die Ergebnisse der Studie zu prüfen. »Für Empfehlungen, die die Sicherheit in den Stadien verbessern, sind wir dankbar und werden auf eine Umsetzung drängen«, erklärte der Bundesinnenminister.
Unverständnis über die Reaktion von OK-Präsident Franz Beckenbauer äußerte Prof. Dr. Michael Schreckenberg, Physikprofessor an der Universität Duisburg, der mit seinen Studien über Panikforschung für einen Großteil der Aufregung gesorgt hatte. Schreckenberg: » Teilweise kann ich die Reaktionen nicht verstehen. Kritiken wie die von Beckenbauer, der von Besserwissern und Wichtigtuern gesprochen hat, sind der Sache nicht dienlich.«
Hauptkritikpunkt des Professors: Es reiche einfach nicht aus, sich nach der Bauverordnung zu richten. »Darauf habe ich schon vor langer Zeit hingewiesen. Nun ist es aber zu spät, um weltweite Standards zu setzen.« Die Richtlinien reichen seiner Meinung zudem nicht aus, »weil sie sich nicht mit dynamischen Bewegungen von Menschenmassen beschäftigen. Und unsere Forschungen werden von den Stadionbetreibern weitgehend ignoriert.« Deshalb plädiert Schreckenberg für einheitliche Standards: »Die Bauverordnung muss außerdem vereinheitlicht werden, bislang ist das Baurecht Ländersache.«
Schreckenberg ist sehr optimistisch, dass sich nicht nur die Politik jetzt diesem Thema stellen wird, sondern auch die FIFA. »Alle müssen einfach akzeptieren, dass die Wissenschaft dem voraus ist, was derzeit in den Verordnungen steht.«

Artikel vom 11.01.2006