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»Alle Sicherungen durchgebrannt«

Baby geschlagen und Arm gebrochen: Bewährungsstrafe für 22-Jährigen

Bielefeld (hz). Staatsanwalt Franz-Josef Weber wählte für die abscheuliche Tat deutliche Worte: Dem Angeklagten seien wohl »alle Sicherungen durchgebrannt«. Der Bielefelder (22) hatte nämlich seinen zur Tatzeit erst sechs Wochen alten Sohn aufs Übelste misshandelt. Dem Säugling war der rechte Arm gebrochen worden, nach Schlägen an den Kopf waren die Ohrmuscheln des Babys blutunterlaufen.

»Wenn Kinder Kinder kriegen«, hätte es bei der gestrigen Verhandlung vor dem Schöffengericht gegen den 22 Jahre alten Vater heißen können. Der junge Mann ohne Berufsausbildung und Arbeitsplatz sowie seine etwa gleichaltrige Verlobte waren nämlich nach der Geburt des kleinen Leon Anfang Januar 2004 mit der Versorgung des Säuglings völlig überfordert. Als das schwer verletzte Baby im Anschluss an den Prügelübergriff am 14. Februar 2004 von den Eltern ins Krankenhaus gebracht wurde, diagnostizierten die Ärzte beim kleinen Leon eine dramatische Unterernährung. Auch sei das Kind so ausgetrocknet gewesen, dass nach Ansicht von Gerichtsgutachterin Dr. Claudia Pfeiffer (Rechtsmedizin Münster) akute Lebensgefahr bestanden habe.
»Ich war überfordert mit dem Kind. Weil es geschrieen hat, habe ich ihm hinter die Ohren gegeben«, räumte der geständige Angeklagte vor Gericht ein, warum er beim Fläschchen geben und Windeln wechseln auf den rechten Arm beziehungsweise das Köpfchen seines Sohn eingedroschen hatte. Die Mutter, beteuerte der Bielefelder, bekam von der brutalen Attacke am damaligen Wohnsitz an der Heeper Straße nichts mit, weil sie geschlafen habe.
Das junge Paar - es will kommende Woche vor den Traualtar treten - hat längst das Sorgerecht für den misshandelten Sohn verloren. Der kleine Leon wurde zur Adoption freigegeben und lebt inzwischen bei einer anderen Familie. Mittlerweile haben der Angeklagte und seine Verlobte wieder ein Kind bekommen (die Tochter ist zehn Monate alt), im kommenden März soll weiterer Nachwuchs zur Welt kommen.
Vorsitzende Richterin Astrid Salewski verurteilte gestern den Bielefelder wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu einer Bewährungsstrafe von 18 Monaten und entsprach damit der Forderung von Staatsanwalt Franz-Josef Weber. Ohne Geständnis, betonte die Juristin, wäre der Angeklagte sofort ins Gefängnis eingefahren. Allerdings äußerte Richterin Salewski erhebliche Zweifel, ob der Angeklagte für seine zweitgeborene Tochter, das für März erwartete Baby und die künftige Ehefrau Verantwortung übernehmen könnte.
So wurde der Bielefelder für die nächsten drei Jahre einem Bewährungshelfer unterstellt. Zudem erhielt der 22-Jährige zur Auflage, sein gerade begonnenes Berufsfindungstraining bei der GAB erfolgreich zu beenden und endlich ins Arbeitsleben einzutreten. Auch kündigte die Richterin an, dass das junge Paar demnächst noch ein Eltern-Kind-Training absolvieren müsse, um eine Wiederholung des Geschehenen auszuschließen.

Artikel vom 10.01.2006