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Dr. jur. Thorsten Graf (Kanzlei Lehmann & Graf) hat sein Büro an der Salzufler Straße 141 b in Herford.Foto: HK

Internetnutzung im Büro

Arbeitsrecht - Fragen rund um das System des »Content-Filterings«

Von Thorsten Graf
Das Internet hält an immer mehr Arbeitsplätzen Einzug. Die Korrespondenz per E-mail sowie die Recherche im Internet lassen sich vielfach nicht mehr wegdenken. Nach welchen arbeitsrechtlichen und sonstigen Regeln richtet sich diese Nutzung des Internet? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Wann drohen Abmahnungen und Kündigungen wegen Internetnutzung am Arbeitsplatz?

Unproblematisch ist die Zuweisung der Internetzugangsberechtigung. Diese ist vom so genannten Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt. Dabei ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten. Es dürfen keine sachfremden Erwägungen bei Differenzierungen zwischen einzelnen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen getroffen werden. Aber auch die Regelung der Art und Weise der Internetnutzung (»Content-Filtering«) ist zulässig. Sowohl die generelle Erlaubnis als auch ein grundsätzliches Verbot sowie eine Beschränkung auf bestimmte Internetseiten sind möglich.
Bei Überwachungsmaßnahmen ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Es werden die Grundsätze der Rechtsprechung zur Telefonkontrolle herangezogen. Danach ist das Mitlesen dienstlicher E-mails zulässig, ebenso die Beendigung einer privaten Internetnutzung, soweit die Einschaltung des Arbeitgebers für Arbeitnehmer erkennbar ist, also nicht bei geheimen technische Maßnahmen.
Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ist bei der Erfassung von personenbezogenen Daten über private Internetnutzung zu beachten. Insoweit ist eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers (Einverständnis mit »Cyberhausordnung«) oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat über die erforderliche Erlaubnis zur Speicherung einzuholen.
Falls man eine private Nutzung des Internet nicht zulassen möchte, sollte im Rahmen einer Cyberhausordnung eindeutig geregelt werden, dass das E-mail-System Eigentum des Arbeitgebers ist und die Nutzung ausschließlich zu Geschäftszwecken erfolgen darf. Es sollte ein ausdrücklicher Hinweis auf Kontrolle des Inhalts der E-mails und Internetnutzung erfolgen.
Das Mitbestimmungsrecht ist in § 87 I Nr. 1 BetrVG normiert. Dieser betrifft alle Regelungen des Arbeitgebers, welche die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeitnehmer betreffen. Die Anweisung, einen Internetzugang zu nutzen, ist mitbestimmungsfrei. Mitbestimmungspflichtig ist aber die abstrakte Regelung der konkreten Nutzung der Internetzugangsmöglichkeit. Daneben hat der Betriebsrat das Recht auf Einschaltung und Unterrichtung bei Eröffnung von Internetzugangsmöglichkeiten nach allgemeinen Regeln (§§ 80, 90, 92 BetrVG).
Mitbestimmungspflichtig ist auch die Kontrolle des Nutzungsverhaltens gemäß § 87 I Nr. 1 BetrVG bezüglich der Durchführung von Aufzeichnungen und Kontrollen, da derartige Maßnahmen die Ordnung des Betriebes und das Verhalten der Arbeitnehmer betreffen. Außerdem liegt ein Fall der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 I Nr. 6 BetrVG vor, wenn die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG bei neuen EDV-Anlagen, die im konkreten Fall leistungs- oder verhaltensrelevante Daten der mit ihrer Anwendung befassten Arbeitnehmer erfassen. Aber auch dann, wenn eine bislang mitbestimmungsfreie EDV-Anlage durch Eröffnung des Internetzugangs oder Einrichtung eines Content-Filtering-Systems zu einer technischen Kontrolleinrichtung wird. Das Ob und Wie der Überwachung ist für die Mitbestimmung irrelevant, welche bereits bei Planung der entsprechenden Kontrollmöglichkeit beginnt.
Nach BAG (Az. 7 ABR 8/03 u. 7 ABR 12/03) sowie Landesarbeitsgericht Hamm (AZ 10 TaBV 161/03) sind Veröffentlichungen des Betriebsrats im Intranet ohne Zustimmung des Arbeitgebers zulässig. Eine vom Arbeitgeber veranlasste einseitige Sperrung einer Informationsseite des Betriebsrats ist wegen Behinderung der Informationstätigkeit des Betriebsrats (»schwarzes Brett«) unzulässig. Der Arbeitgeber hat bei aus seiner Sicht inhaltlich unzulässigen Veröffentlichungen den Rechtsweg einzuhalten (einstweilige Verfügung).
Folgendes ist bei Datenschutzrechtsfragen zu beachten: Bei ausschließlich dienstlicher Nutzung sind (nur) die Vorgaben des Bundesdatenschutzgesetzes zu beachten. Die stichprobenartige Überprüfung, ob ein Internetnutzung dienstlicher Natur ist, ist zulässig, nicht jedoch eine automatisierte Vollkontrolle. Anders ist es bei einem konkreten Missbrauchsverdacht im Einzelfall. Bei auch privater Nutzung ist auch das TKG, insbesondere Fernmeldegeheimnis (§ 85 TKG), zu beachten.
Praktische Konsequenz daraus ist eine Dienstvereinbarung, denn es sollte eine eindeutige Regelung der technischen und organisatorischen Fragen der Protokollierung und Auswertung erfolgen. Dafür ist eine Dienstvereinbarung die richtige Form.
Ermächtigungsgrundlagen für die Verarbeitung personenbezogener Daten sind die Einwilligung des Arbeitnehmers, eine Erlaubnis im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung sowie eine Legitimation durch eine gesetzliche Vorschrift. Aber: bei (auch) privater Internetnutzung muss eine individuelle Einwilligung des Betroffenen vorliegen. Die Bezugnahme auf Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung ist nicht ausreichend (§ 89 III 3 TKG). Die Einwilligung erfordert, dass der Betroffene vorab auf den Zweck der Speicherung und eine vorgesehene Übermittlung sowie auf Verlangen auf Folgen der Verweigerung hingewiesen wurde (§ 4a I 2 BDSG). Die Schriftform ist gemäß § 4a I 3 BDSG einzuhalten.
Zu den zulässigen Maßnahmen bei (auch) privater Nutzung zählt die Kenntnisnahme aller dienstlichen E-mails sowie die Unterdrückung von E-mails oder deren Anlagen, die einen gefährlichen oder verdächtig ausführbaren Code enthalten (z.B. .exe, .bat). Dann besteht aber eine Bekanntgabepflicht gegenüber dem Mitarbeiter. Die Kenntnisnahme des Inhalts zur Untersuchung ist nur in Anwesenheit des Mitarbeiters erlaubt. Der Arbeitnehmer darf auf Nutzung eines (kostenlosen) Web-Mail-Dienstes für private E-mails verwiesen werden. Der Arbeitgeber darf Ein- und Ausgang dienstlicher E-mails einschließlich Zieladresse festhalten und E-mails lesen, die nicht ausdrücklich als »persönlich« oder »vertraulich« gekennzeichnet sind oder anderweitig die private Natur erkennen lassen.
Private E-mails dürfen bei begründetem Verdacht auf eine strafbare Handlung, Gefährdung des Betriebsfriedens (zum Beispiel Mobbing) oder zur Vermeidung der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen gelesen werden. Bei Verstößen gegen diese Grundsätze hat der Arbeitnehmer insbesondere Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus §§ 1004, 823 I BGB analog bezüglich der Daten.
Privates Surfen ohne Erlaubnis des Arbeitgebers ist unzulässig. Argument sind die Übertragungskosten sowie der Verlust von Arbeitskapazität. Eine konkludente Einwilligung kommt jedoch in Betracht, wenn privates Telefonieren in ähnlichem Umfang gestattet wird oder bei längerer Duldung der Internetnutzung (»betriebliche Übung«).
Der Zeitraum für zugelassene Internetnutzung, welcher eine betriebliche Übung der Gestattung begründet, ist gesetzlich nicht geregelt, aber jedenfalls kürzer als zum Beispiel beim Weihnachtsgeld (drei Jahre). Die Ausräumung ist nachträglich schwierig, so zum Beispiel über Individualvereinbarungen oder eine entgegenstehende betriebliche Übung (zum Beispiel durch Einführung eines Content-Filtering-Systems), welche vom Arbeitnehmer über entsprechende Zeit »hingenommen« wird. Durch Warnhinweise bei Internetnutzung wie »Private Nutzung des Internet ist untersagt« kann jedoch eine betriebliche Übung verhindert werden. Die Einwilligung legitimiert ohnehin kein exzessives Surfen, den Download von pornographischem Material, Überspielen von betrieblichen Daten auf private Datenträger sowie die irreguläre Nutzung fremder Passwörter.
Auch wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat, verletzten Arbeitnehmer ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn sie in großem Umfang zu privaten Zwecken im Internet surfen und dabei auch Seiten mit pornographischem Inhalt abrufen. Nach Auffassung des BAG (Urteil vom 7. Juli 2005 (2 AZR 581/04) kann dies ein Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses sein.
Dabei müsse aber auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden: in welchem zeitlichen Umfang der Kläger seine Arbeitsleistung durch das Surfen im Internet zu privaten Zwecken nicht erbracht und dabei seine Aufsichtspflicht verletzt habe, welche Kosten dem Arbeitgeber durch die private Internetnutzung entstanden sind und ob durch das Aufrufen der pornographischen Seiten der Arbeitgeber einen Image-Verlust erlitten haben könnte. Einfacher hat es der Arbeitgeber, wenn er den Arbeitnehmer zunächst abgemahnt hat. Bei wiederholter Abmahnung kann die fristlose Kündigung ausgesprochen werden (LAG Rheinland-Pfalz Az.7 Sa 1243/03).

Artikel vom 14.01.2006