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Mozart, laut Alfred
Brendel, über Beethoven

»Für an Nega
spülta netamoi schlecht.«

Leitartikel
Mozart-Feiern ohne Ende

Wieder nur
»Così fan
tutte« im Ohr


Von Matthias Meyer zur Heyde
Als unlängst der Redakteur einer deutschen Zeitschrift eine Meldung über ein TV-Konzert ins Blatt hob, mochte er seinen Lesern nicht verschweigen, wer da zum Geigenbogen griff und am Flügel Platz nahm. »Es musizieren: Johann Sebastian Bach und Friedrich Schubert«, verkündete der Unglücksrabe.
Mozart kam in dieser Meldung nicht vor (er verstarb ja bereits 1791 . . .), obwohl er seit 1756 jedes Jahr neu geboren wird - besonders heuer, da sich sein Geburtstag am 27. Jänner zum 250. Male jährt. Die Welt feiert das Wunderkind in einem Veranstaltungsmarathon der Superlative. Salzburg, unverdrossen, obwohl der Jubilar seine Heimatstadt degoutant fand, will alle 22 Opern aufführen, und am Ende hat doch keiner den »Ascanio in Alba« im Ohr, nur wieder »Così fan tutte«.
So machen's alle. Denn seien wir ehrlich: Die Kompositionen des Genies, das einmal geseufzt hat, es gehöre zu vielen anderen Leuten und zu wenig sich selbst, wurden zu Massenware eingekitscht. Leute, kauft Mozartprodukte, es gibt mehr als 300. Wie wär's mit einer CD-Serie der eingängigsten Melodien - aber wovon handelt jetzt die »Zauberflöte«? Was braucht es komplette Sonaten - nach einem stressigen Tag im globalisierten Arbeitskampf wirkt so ein Tupfer Klassik-Essenz wahre Wunder.
20 000 Mozartbücher. Wer liest die? Der Maler Markus Lüpertz, mit der Aufgabe als kulturelles Aushängeschild der Fußball-WM voll ausgelastet, hat in Wien eine 3,50-Meter-Büste enthüllt, 800 Kilo, weißgekalktes Gesicht, Allongeperücke - ein Mädchen oder Wahahaheibchen. »Ob er eine lange Nase gehabt hat oder einen großen oder kleinen Mund, das weiß ich nicht«, sagt Lüpertz über seinen Allerweltsmozart.
Achtung, ARD-Kulturradio! An allen 365 Tagen des Jahres liest Klaus-Maria Brandauer einen vom Wolferl geschriebenen Brief vor: »Das ist kein Geschenk an die Menschheit, dass ich das lese, sondern das ist einfach pfiffig und lustig.« Ach so: Der Komponist als massenmedientaugliches Unikum. Einst als »größtes Kulturgeschenk der Deutschen an die Welt« auf den Sockel gehoben, jetzt als Verfasser von Verbalerotik bekichert.
Nähme uns Mozart heute an die Hand, so führte er uns in sein selbsterschaffenes Reich der Liebe (nein, nicht in das, das RTL II uns zeigt). Am Eingang zum Paradies der musikalischen Ideen aber steht der Tourismusmanager und ernüchtert uns mit der Bemerkung, der »Markenwert Mozart« lasse sich allein im Jubeljahr auf etwa fünf Milliarden Euro schätzen.
Unser Tipp: Lassen Sie die Adabeis ihre Souvenirs sammeln. Schauen Sie ins Köchelverzeichnis und wählen Sie. Nur Mut - es muss nicht immer »Figaros Hochzeit« sein. Hören Sie hin, was Ihnen, nur Ihnen allein, der Wiener Kapellmeister erzählt.
Zwar lässt sich das »Rätsel Mozart« so nicht lösen. Aber Sie rücken damit die Maßstäbe ein wenig zurecht. Denn was sind fünf Milliarden Euro gegen das »Frühlingsquartett« G-Dur (KV 387)?

Artikel vom 11.01.2006