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Stallpflicht rückt wieder näher

Vogelgrippe: Seehofer warnt vor Panik - Schärfere Kontrollen

Berlin/Ankara (dpa). Deutschland wird wegen der Ausbreitung der Vogelgrippe in der Türkei »mit höchster Wahrscheinlichkeit« erneut eine Stallpflicht für Geflügel anordnen. »Wir werden das Menschenmögliche tun, Bund und Länder gemeinsam mit Europa, diese gefährliche Tierseuche in den Griff zu bekommen«, sagte Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) gestern in Berlin.

Ende Januar wolle er nach einer Expertenbewertung entscheiden, ob das Geflügel vom 1. März bis 30. April wieder in die Ställe müsse. Bund und Länder kündigten nach einem Treffen schärfere Kontrollen am Zoll und ein mobiles Einsatzkommando für den Fall einer Einschleppung der Vogelgrippe an.
Das höchste Risiko bestehe in illegalen Importen von Geflügel und Geflügelprodukten, sagte Seehofer. Mit einer Deklarationspflicht wollen Bund und Länder die Gefahr eindämmen. Der Zoll soll von nun an bei der Einreise nach der Einfuhr von verbotenem Geflügel und von Geflügelprodukten fragen. Das müsse EU-weit gelten, forderte Seehofer. In Deutschland gebe es 400 Millionen Flugreisende und 500 Millionen Reisende auf dem Landweg pro Jahr. Die Kontrollen werden bundesweit aufgestockt. »Wir intensivieren die Kontrollen sowohl auf Flughäfen, in Seehäfen, auf Straßen und im Bahnverkehr.«
»Die Risikoeinschätzung hat sich nicht verändert, aber das Risikopotenzial ist größer geworden«, sagte Seehofer der dpa. »Zur Panik besteht kein Anlass.« Die Stallpflicht kann nach Angaben von Seehofer bei einem früheren Risiko vorgezogen werden, auch der Zeitraum sei flexibel.
Das mobile Einsatzkommando soll bei einem Ausbruch der Vogelgrippe aktiv werden. Das nötige Personal von Bundespolizei, Länderpolizei und Zoll dafür soll in Absprache mit Innen- und Finanzministerium bereitgestellt werden.
Einer forsa-Umfrage für den Sender n-tv zufolge wächst in Deutschland die Angst vor der Vogelgrippe: Nach 16 Prozent im Oktober gaben nun 25 Prozent an, dass sie das Virus fürchten; 75 Prozent äußerten sich weiter unbeeindruckt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betonte: »Es gibt keinen Grund zur Panik«.
In China wurde der Tod zweier weiterer Menschen bestätigt, die mit dem Vogelgrippe-Virus H5N1 infiziert waren. Weltweit erhöhte sich damit die Zahl der Opfer nach WHO-Angaben auf 80. Die Tierseuche in der Türkei dürfe nicht überdramatisiert werden, sagte der Leiter des WHO-Regionalbüros Europa, Marc Danzon, in Ankara. Die Bundesregierung bot der Türkei an, Experten des Robert-Koch-Instituts ins Land zu schicken. Sie könnten bei der Suche nach Möglichkeiten zur Eindämmung der Tierseuche helfen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium appellierte an Touristen, direkte Tierkontakte zu vermeiden, keine Geflügelmärkte zu besuchen und nur gekochtes oder gebratenes Geflügelfleisch zu essen. Aus Deutschland reisten im vorigen Jahr 4,2 Millionen Touristen in die Türkei. Nach WHO-Angaben können Urlauber problemlos in die Türkei fahren. Dort sei keine »Mutation« des für Menschen gefährlichen Vogelgrippevirus H5N1 festgestellt worden.
Obwohl Seehofer an die Veranstalter appelliert hatte, bei der Grünen Woche in Berlin kein Geflügel zu zeigen, gibt es auf der Agrarmesse auch Federvieh. Der Leiter des WHO-Influenzaprogramms, Klaus Stöhr, forderte strenge Personen- und Tierkontrollen während der Messe, die an diesem Freitag beginnt. Nach Angaben der Messe Berlin wurden alle Vögel geimpft.

Artikel vom 12.01.2006