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Erst einmal Ordnung lernen

18-Jähriger Andrél Uribe aus Chile ist zu Gast in Deutschland

Von Stefanie Djoba und Jana Freese
Bielefeld (WB). Andrél Uribe hat schon viel von Deutschland gesehen. Vor vier Monaten kam der 18-Jährige von Santiago de Chile nach Deutschland. Und seine Erfahrungen mit den »ordentlichen Deutschen« haben bei dem jungen Chilenen schon manche Verwunderung hervorgerufen.

Der 18-Jährige, der perfekt Englisch kann und vier Gastfamilien in Bielefeld und im Kreis Gütersloh kennen lernt, liebt Sprachen: »Ich mag es, mich auf viele Arten auszudrücken.« Durch den Zuspruch von einigen deutschsprachigen Freunden in Chile war für ihn schnell klar: »Ein Aufenthalt in Deutschland im Rahmen eines Austauschprogramms ist das Richtige!« Zwar war seine Mutter von den Plänen ihres Sohnes nicht begeistert. Schließlich stimmte sie aber zu und gab ihm mit auf den Weg: »Geh nach Deutschland und lern endlich einmal Ordnung.« Einen der größten Unterschiede zwischen Chile und Deutschland liegt im Schulsystem, hat Andrél Uribe erfahren. »In Chile ist es wie in einem Gefängnis. Das Gelände ist von einer großen Mauer umringt und es ist nicht erlaubt, während der Pausen das Gelände zu verlassen.«
In Deutschland genießt er daher das große Angebot an Fächern und Arbeitsgemeinschaften sowie die Offenheit, die den deutschen Schulalltag bestimmen. In Chile hätten die Schüler praktisch keine Freizeit. Wer einen guten Abschluss erreichen möchte, müsse meist sogar noch eine weitere Schule besuchen und komme erst spät abends nach Hause. Dann stünden noch die Hausaufgaben für den nächsten Tag an. Andrél Uribe bewundert daher besonders die vielen Möglichkeiten, die sich den deutschen Schülern bieten.
Ansonsten seien die Jugendlichen hier gar nicht so anders. »Auch wir verbringen unsere Wochenende gerne in Discos und Bars.« Allerdings, meint der junge Gast, sei ihm aufgefallen, dass hier fast jeder Jeans trägt. Das sei in Chile nicht so stark verbreitet. Auch sei das Leben in Deutschland wesentlich kostspieliger: »Besonders die Buspreise sind hier sehr hoch.« Verglichen mit Deutschland ist für den 18-Jährigen die Grenze zwischen arm und reich wesentlich klarer erkennbar. »In Chile ist es völlig normal, dass sozialstärkere Familien neben Familien, die aus ärmlicheren Verhältnissen stammen, wohnen.«
Besonders positiv empfand Andrél Uribe während seines bisherigen Aufenthalts den Aspekt der Sicherheit. Anders als in Chile sei es hier möglich, ohne Angst nachts mit Freunden auszugehen. Neu für ihn waren auch gerade in der zurückliegenden Weihnachtszeit die prunkvollen Vorbereitungen auf das große Fest. Besonders der Brauch der meisten Deutschen, einen geschmückten Weihnachtsbaum aufzustellen, war für den Chilenen eher befremdlich. »Natürlich ist das Zentrum von Santiago de Chile auch etwas weihnachtlich hergerichtet; aber in den meisten Familien wird eher darauf verzichtet.«
Seine Erfahrungen in Deutschland werden Andrél Uribe noch lange in bester Erinnerung bleiben, versichert er - nicht zuletzt weil er hier auch das erste Mal den winterlichen Schneefall bewundern konnte und im Sommer auch die Eindrücke der bevorstehenden Fußballweltmeisterschaft mit nach Hause nehmen wird.

Artikel vom 12.01.2006