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Wienerische Knallbonbons

Neujahrskonzert mit Justus Frantz und der Philharmonie der Nationen

Von Uta Jostwerner
und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). »Für mich gibt es kein größeres Vergnügen als meine Kunst zu treiben und zu zeigen«, soll Beethoven in einem Brief an seinen Freund Franz Wegeler einmal bekannt haben. Gleiches scheint auch auf Justus Frantz zuzutreffen.

Bei seinem Bielefelder Neujahrskonzert mit der Philharmonie der Nationen präsentierte sich der Dirigent und Pianist sowohl als schwärmerischer Musiker als auch enthusiastischer Empfänger der entgegengebrachten Honneurs.
Das Publikum liebt den 61-Jährigen, der 1995 das junge, international besetzte Orchester gründete und seither regelmäßig mit dem ambitioniert aufspielenden Klangkörper in der Oetkerhalle gastiert. Neben seiner Musikalität und Spielfreude hat sich das Orchester als Symbol des Friedens und der Grenzen überschreitenden Kreativität einen Namen gemacht. Einzigartig ist zudem, dass es unabhängig von staatlicher Unterstützung arbeitet und musiziert.
Deshalb richtete Peter Christoph Loewe in seiner Funktion als Kurator des Orchesters zuvor die herzliche Bitte ans Auditorium, dem Förderverein der Philharmonie der Nationen beizutreten, um den jungen Menschen die Chance zu ermöglichen, auch weiterhin in so lebendiger Einheit zu musizieren.
Kein Neujahrskonzert ohne Dschinderassa. Zwischen schmissigem Verve und tänzelnder Leichtigkeit eröffneten Frantz und seine Leute den Reigen der Märsche, Polkas und Walzer mit dem allseits beliebten »Kaiser Franz Josef I. Rettungsjubelmarsch«, gefolgt vom »Persischen Marsch«, der lustvoll orientalisches Flair verströmte. Das eigentliche Feuerwerk Wienerischer Knallbonbons zündete Justus Frantz hingegen erst im zweiten Konzertteil: Ob Kaiserwalzer, Tritsch-Tratsch-Polka oder Fledermaus-Ouvertüre -Êmit überschwänglichem Dirigat animierte Justus Frantz sein mit großer Präzisionslust aufspielendes Orchester zu einer pastosen Nachzeichnung des allseits beliebten Werkekanons und wurde dafür stürmisch gefeiert.
In der Mitte spielte Frantz in bewährter Manier seine pianistischen Fähigkeiten aus. Das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester c-Moll ist eine der wenigen Kompositionen Schostakowitschs, in denen es nicht um tiefgreifende existentielle Fragen geht. Vielmehr handelt es sich um eine Persiflage auf das klassische Instrumentalkonzert. Der gewollten Plattheit der Partitur begegnet Frantz in ostinat stampfenden Akkordschlägen und mit gebotener Robustheit. Einzig der langsame Satz bot Gelegenheit zu zart versponnener, elegischer Ausbreitung und erinnerte thematisch an das legendäre Adagietto aus Mahlers fünfter Sinfonie. Mit ausgefeilter Pianistik, Virtuosität in den Kadenzen und im Geiste auftrumpfendem Selbstbewusstsein ging Frantz seinen Beethoven (1. Klavierkonzert) an. Das Orchester bot poetische Klangwirkung auf und förderte den festlichen Charakter ebenso sowie die kühnen Details des Werkes lustvoll präzise zutage.

Artikel vom 10.01.2006