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»Ich habe Todesangst«

Ehemalige Irak-Geisel Susanne Osthoff bei Beckmann

ARD, 22.45 Uhr: Die Archäologin Susanne Osthoff war erstmals nach ihrer Entführung im Irak wieder kurz in Deutschland. In der Talksendung »Beckmann« berichtet die 43-Jährige von ständiger Todesangst während der Geiselnahme und danach.

»Es ist für mich bis heute gefährlich«, sagte Osthoff, die alleiniger Gast der 75-minütigen Sendung ist. Das Gespräch wurde bereits am Samstag aufgezeichnet. Osthoff hat Deutschland gestern wieder verlassen.
Es gebe für sie nach ihrer Entführung noch keinen Alltag, sagte Osthoff im Interview mit Reinhold Beckmann. »Ich wechsele alle zwei Tage meinen Standort und das Land.« Während der 24-tägigen Geiselhaft habe sie ununterbrochen Todesangst gespürt, die bis heute anhalte. Osthoff berichtet ausführlich über die Irritationen der vergangenen Tage. »Ich war ständig unter Lebensgefahr. Die Umstände waren unkontrollierbar. Am schlimmsten waren die Transporte im Kofferraum ins Ungewisse. Während dessen habe ich mich tot gestellt. Ich hatte nur noch Todesvisionen.«
Die Archäologin wies Berichte zurück, nach denen sie im Irak für den Bundesnachrichtendienst tätig gewesen sei. »Wenn ich für den BND gearbeitet hätte, hätte ich meine 540 Euro Miete regelmäßig zahlen können. ... Wenn ich ein Informant gewesen wäre, dann würde ich heute nicht mehr leben, dann hätten mich die Entführer umgebracht.« Dass Meldungen über ihre angebliche BND-Tätigkeit gestreut würden, hält Osthoff für »unverantwortlich und gefährlich«. Eine solche Meldung könne für die betroffene Person »das Todesurteil bedeuten«.
Osthoff bestätigte, dass sie Mitarbeitern der deutschen Botschaft in Bagdad manchmal Hinweise auf drohende Gefahren oder die Lage in bestimmten Gebieten gegeben habe. Dies sei »in einem Krisen- und Kriegsgebiet wie dem Irak unter Landsleuten absolut selbstverständlich«, sagte Osthoff. Die Botschaftsmitarbeiter hätten sich ihr gegenüber aber »nicht als BND-Mitarbeiter zu erkennen gegeben, sondern als Diplomaten«.
Die Archäologin kritisierte, dass der deutsche Krisenstab nicht frühzeitig einen Mittelsmann bestellt habe. Trotzdem bedankte sie sich beim Krisenstab und allen, die zur Beendigung der Geiselnahme beigetragen haben. »Ich bin jedem dankbar, der sich für mich engagiert hat und für mich seine Zeit geopfert hat. Ich konnte nicht wissen, dass in den Kirchen Kerzen für mich angezündet worden sind. Ich musste schauen, dass ich überlebe und körperlich durchhalte. Aber ich bin eine Kämpferin.«

Artikel vom 09.01.2006