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Stillleben mit Klassikern
Narzisse und Tulpe als Frühlingsboten lassen sich gern inszenieren
In der Mode geht der Blick immer noch zurück. Man hält fest an Traditionellem, an Bewährtem und an Folklore aus aller Welt.
Auch in der Floristik besinnt man sich jetzt auf die Inspirationsquellen von Ethno und Folklore und orientiert sich bei der Inszenierung der Blumensträuße an den Stillleben der alten Meister.
Zu den Frühlingsklassikern gehören unbedingt Narzissen. Mit ihrer anmutigen Grazie und Beschwingtheit gelten sie traditionell als Künder des Frühlings. In gemischten Sträußen besetzen sie als goldgelbe »Sonnenreflektoren« eine prominente Rolle. Hier lohnt sich ein Blick zurück, denn eine Sage, der die Narzisse ihren Namen verdankt, ist spannend:
Narziss, ein griechischer Jüngling, war von so unglaublicher Schönheit, dass sich die Nymphe Echo heftig in ihn verliebte. Er aber erwiderte ihre Liebe nicht und wies sie mit hartherzigem Hochmut zurück.
Aus Gram zieht sich die unglückliche Echo in die Wälder zurück und wird in ein bloßes Schall- und Klangwesen verwandelt. Narziss aber bekommt den Zorn der Rachegöttin zu spüren. Beim Jagen entdeckt Narziss eine klare, unberührte Quelle. Als er seinen Durst stillen möchte, erblickt er seine bezaubernde Gestalt, fühlt sich von ihrer Schönheit angezogen und nichts ahnend, begehrt er sich selber.
Er lächelt das Spiegelbild an, es lächelt zurück, er will es küssen und umarmen und muss schließlich erkennen, dass er sich selber sieht. Unfähig, sich von seinem eigenen Bild zu lösen, verzehrt er sich und schwindet dahin. Was bleibt ist eine Blume mit goldenem Kranz, die Narzisse, die sich ganz wie Narziss gerne über den Wasserspiegel der Bäche und Teiche beugt.
Ein Blick zurück lohnt sich auch auf einen weiteren Blütenstar des Frühlings, die Tulpe. Ursprünglich in den Steppen Zentralasiens beheimatet, fanden die Tulpen zunächst Zugang in die opulente Gartenarchitektur der Sultane und Kalifen des Osmanischen Reiches. Massenanpflanzungen sind nämlich keine Erfindung unserer Zeit, sondern bereits in der Ära Sultan Suleimans (1520 - 1560), dem glanzvollen Herrscher über das Osmanische Reich, sollen jeden Frühling in den Höfen 500 000 Tulpen geblüht haben.
Erst Mitte des 16. Jahrhunderts hielten sie Einzug in Europa. Bald schon nahmen sich Züchter jener Blume mit der Aura orientalischer Exotik an und begründeten ihren Siegeszug. Die Tulpe avancierte in ganz Europa zum Symbol für Wohlstand und guten Geschmack. Der ganze Kontinent wurde von einer wahren Tulpenbegeisterung gepackt.
Die wahnwitzigsten Blüten trieb die so genannte »Tulpomanie« in Holland, wo dann auch die überhitzte Konjunktur kollabierte und es im Februar 1637 zum ersten Börsencrash der Geschichte kam. Auf dem Höhepunkt des Tulpenfiebers erzielte eine einzige Zwiebel, wie die rot-weiße Papageientulpe ÝSemper AugustusÜ, 13 000 Gulden - der Preis entsprach einem Grachtenhaus in Amsterdam.
Eine folkloristische Inszenierung steht den Frühlingsklassikern also gut zu Gesicht: Omas Spitzendeckchen, geerbtes Geschirr, Küchenaccessoires von anno Tobak, feines chinesisches Porzellan - ein ganz individuelles »lebendiges« Stillleben ist der Blickfang einer jeden guten Stube! (BBH)

Artikel vom 04.02.2006