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Meisterwerk zurück am Entstehungsort

Stadtwerke ersteigern ein Sagewka-Gemälde, das das Betriebsgelände im Jahr 1919 zeigt

Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard Pierel (Foto)
Bielefeld (WB). »Ein wunderschönes Gemälde - je länger ich es ansehe, desto stärker spricht es mich an.« Wolfgang Brinkmann, Geschäftsführer der Stadtwerke, ist hingerissen von einem Kunstwerk, auf dessen Existenz das Unternehmen erst durch das WESTFALEN-BLATT aufmerksam wurde.

Die Stadtwerke haben bei der Auktion des Münchener Kunsthauses Ketterer (»Seitenwege der deutschen Avantgarde«) am 5. Dezember mitgeboten und für 4165 Euro den Zuschlag erhalten - Ernst Sagewkas expressionistisches Ölbild, zuvor auf 2500 Euro taxiert, ist nach 86 Jahren an den Ort seiner Entstehung zurückgekehrt. Sagewka (1883-1959) hatte das rückwärtig nur mit seinem Namen und den Hinweisen »Bielefeld« und »Industrie« beschriftete Motiv im Jahr 1919 gemalt.
»Wir hatten mehrere Konkurrenten um das Gemälde und wären bei Bedarf auch höher gegangen«, berichtet Brinkmann. Aber Birgit Jahnke, Leiterin der Unternehmenskommunikation, hielt per Internet alle Mitbieter in Schach und freute sich anschließend riesig über den Erfolg. Als erstes - »sehr zügig« - kam die Rechnung aus München, »und wenige Tage vor Weihnachten hielten wir unseren ÝSchatzÜ endlich in Händen«, sagt Brinkmann.
So kurz das expressionistische Werk bei den Stadtwerken ist, so viele Bewunderer hat es bereits gefunden. Stadtwerke-Archivar Joachim Wibbing, der allerletzte Zweifel an der Frage nach dem Motiv ausräumen konnte, findet, dass der Künstler »sehr schön den Geist der Industrialisierung eigefangen« habe. »Und unsere Kunden hier im Besprechungsraum der Geschäftsführung ließen erst einmal Akten Akten sein und stellten beeindruckt Fragen nach dem Bild«, erzählt Brinkmann.
Einen ersten Hinweis darauf, dass Sagewka damals die beiden »Max und Moritz« genannten 80-Meter-Schornsteine, das ehemalige Drehstromwerk mit seinen Oberlichtern und Rundbogenfenstern, sowie (im Vordergrund) eine rauchende Kokshalde sowie (links) die Kohleverladestation verewigt hatte, verdankt das WESTFALEN-BLATT dem Bielefelder Gerd Wörmann. Seine Schwiegermutter Gerda Pape hatte den Maler und seine Frau Luise gepflegt und besaß eine Liste mit 170 Gemälden, auf denen die Stadtwerke ausdrücklich vermerkt waren. Ein Großneffe des Künstlers, Rolf Sagewka, ebenfalls in Bielefeld lebend, präsentiert weitere Infos über seinen bekannten Vorfahren unter www.sagewka.de im Internet.
Die 69 mal 97 Zentimeter große Leinwand in etwas abgegriffenem braunem Holz soll nun würdig gerahmt werden; Brinkmann will einen geschmackssicheren Galeristen hinzuziehen. Das Interesse ist groß: Cornelia Foerster, Chefin des Historischen Museums, hat bereits darum gebeten, das Prachtstück in einer für 2007 geplanten Ausstellung über die Werkkunstschule zeigen zu dürfen (»sie darf«, versichert Brinkmann), denn hier war Ernst Sagewka ab 1904 Schüler gewesen.

Artikel vom 07.01.2006