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Gerangel um Milliarden
für mehr Wachstum

Kabinettsklausur soll der Wirtschaft Impulse geben

Berlin (dpa). Mit einem Tauziehen um die Schwerpunkte ihres milliardenschweren Wachstumsprogramms geht die schwarz-rote Bundesregierung heute in ihre erste Kabinettsklausur.
Teile der SPD befürworteten eine Ausweitung über die im Koalitionsvertrag genannten 25 Milliarden Euro hinaus. Aus dem Kanzleramt und von Finanzpolitikern kamen dazu am Wochenende wegen der hohen Kosten ablehnende Stimmen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) riefen ihre Parteien vor dem Treffen in Genshagen bei Berlin zu Disziplin und gegenseitiger Fairness auf.
Familien, Handwerker und mittlere Unternehmen, die Bauwirtschaft sowie Forschung und Entwicklung sollen Hauptnutznießer des so genannten Wachstumspakets sein.
Schwerpunkt der Diskussion in Genshagen wird voraussichtlich die Verteilung der Geldbeträge auf die verschiedenen Projekte der Ressorts sein. »Es geht darum, wie der Kuchen verteilt wird«, hieß es am Wochenende in der Regierung. Die Grundsatzkonflikte zwischen CDU/CSU und SPD um Kombilohn, Gesundheitsreform oder Atomausstieg dürften bei der Klausur heute und morgen wohl nur am Rande eine Rolle spielen.
Die steuerlichen Auswirkungen des Wachstumspakets auf die Länder etwa beim Abbau von Subventionen könnten den Gesamtumfang über die im Koalitionsvertrag genannten 25 Milliarden Euro auf bis zu 30 Milliarden erhöhen. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wird morgen in Genshagen Eckwerte zum Haushalt 2006 vorlegen.
Die Parteivorsitzende Merkel sagte nach einer CDU-Vorstandssitzung in Mainz, Ziel der Koalitionsarbeit mit der SPD sei es, »gemeinsame Projekte vertrauensvoll und verlässlich umzusetzen«. Dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« sagte sie: »SPD und Union sind bei Strafe ihrer eigenen Schwächung darauf angewiesen, diese Koalition zu einem Erfolg zu führen. Und wir wollen beide den Erfolg.«
Arbeitsminister Müntefering erklärte: »Inhaltliche Debatten sind in Ordnung. Wir sollten sie aber vorrangig intern führen. So viel Disziplin muss sein.«
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil befürwortete, dass auf das 25-Milliarden-Euro-Paket »noch eine Schippe draufgelegt wird«. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wies dies zurück. Er berief sich auf Vereinbarungen mit der SPD-Fraktion zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. »Deshalb sind wir gegen immer neue finanzielle Forderungen.«
Finanzpolitiker der Union erwarten von der ersten Kabinettsklausur ein klares und gemeinsames Votum für einen strikten Sparkurs. Es gebe eindeutige Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag und die müssten eingehalten werden, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU).
Merkel ging in der Debatte über Kombilöhne auf Distanz zu Wirtschaftsminister Michael Glos. Der CSU-Politiker hatte gefordert, staatliche Zuschüsse zu Niedriglöhnen zunächst in Modellversuchen zu testen.
Die Kanzlerin sagte dazu: »Wenn ich einen Modellversuch mache und ihn zeitlich befriste, werde ich nie herausbekommen, ob es wirklich Märkte mit zusätzlicher Beschäftigung gibt. Eine Lösung im Niedriglohnsektor kann kein befristetes Sonderprogramm sein.« Merkel ließ Sympathien für einen gesetzlichen Mindestlohn erkennen.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Edmund Stoiber betonte vor der Kabinettsklausur: »Die Menschen spüren einen Aufschwung. Um daraus einen Aufbruch zu machen, müssen die Reformen auch bei den Menschen ankommen.«

Artikel vom 09.01.2006