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»In der Politik müsste gelten, was in der Medizin gilt: Wer nicht
aufklärt, haftet.«Alte Reflexe
ziehen
nicht mehr
Von Rolf Dressler
Quälend viele Jahre lang und häufig bis zum Geht-nicht-mehr traktierte vor allem die politische Linke uns Bürger mit ideologischer Rechthaberei. Und dies lei- der keineswegs nur in jenen so- genannten Lagerwahlkämpfen, die Deutschland wohl oder übel auch nach der Wiedervereinigung über sich ergehen lassen musste.
Deshalb mag man dem Frieden noch gar nicht so recht trauen, der eingetreten zu sein scheint, seit Angela Merkel, die frisch ge- kürte Kanzlerin, eine neue, ganz ungewohnte Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit nachgerade zum Programm erhoben hat. Aber dieser Stil im Umgang mit den großen Pro- blemthemen wie im persönlich-menschlichen Bereich findet offenbar auch beim Koalitionspartner SPD Gefallen.
Eine erste Probe aufs Exempel könnte die Kernkraft-Nutzung sein. Denn sie taugt schon längst nicht mehr für Schwarz-weiß-Grabenkämpfe. Denn der politische und wirtschaftliche Wettkampf aller Völker, Länder und Nationen steht und fällt mit einer verlässlichen und auf Dauer bezahlbaren Energieversorgung. Von dieser Elementar-Erkenntnis beißt die legendäre Maus keinen Faden ab.
Deshalb sollte beispielgebend auch der neue SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel die Abwehrreflexe von gestern aufgeben. Wer die Kernenergie-Fakten - das gilt genauso natürlich für Angela Merkel selbst - nüchtern-sachlich be- nennt, braucht den allzu billigen Vorwurf, »Atomlobbyist« zu sein, nicht zu fürchten:
- Werden die derzeit noch 17 deutschen Kernkraftwerke tatsächlich komplett abgeschaltet, dürften die Strompreise bei uns explodieren. Ein schwerer Nachteil für den Wirtschaftsstandort.
- Schon jetzt müssen Industrie und Gewerbe die nach Italien höchsten Strompreise in Europa berappen: je nach Abnahmemenge zwischen 8,35 und 9,75 Euro je Kilowattstunde plus 16 und von 2007 an sogar 19 Prozent Mehrwertsteuer. Zum Vergleich: Frankreich 5,78 bis 6,15 Euro, England 4,93 bis 6,16 Euro.
Gut ein Drittel der öffentlichen Stromversorgung leisten heute Deutschlands Kernkraftwerke.
-ÊWerden diese Meiler stillgelegt, müssen Kohle-, Gas- und Ölkraftwerke deren 20 000 Megawatt Leistung übernehmen. Ohnehin muss in den nächsten 15 Jahren jedes zweite Kohle-, Gas- und Ölkraftwerk (Gesamtleistung nochmals rund 20
Und wo bleibt dann der »Klimaschutz«? Gegenwärtig vermeidet allein schon der Betrieb unserer deutschen Kernkraftwerke jedes Jahr den Ausstoß von etwa 178 Millionen Kohlendioxyd (CO2), das ist etwa so viel, wie die hiesigen Autoabgase ausmachen.
Derweil sind aktuell 22 neue Kernkraftwerke im Bau. Frankreich plant einen ganz neuen Meilertyp. Unser Nachbar möchte in dieser Technologie-Disziplin unbedingt weit vorn dabei sein. Sogar Englands Premier Tony Blair, als »Atomlobbyist« noch nie hervorgetreten, denkt offenbar gerade gründlich um. Und wir?
Artikel vom 09.01.2006