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Einzigartige
Retrospektive

Kunsthallen-Ausstellung 2006

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Nach der erfolgreichen Expressionismus-Ausstellung rund um Ernst Ludwig Kirchner (bis zum 26. Februar) beleuchtet die Kunsthalle Bielefeld 2006 in drei weiteren Themenkomplexen bedeutende Strömungen und Personen der Kunstgeschichte.

Einhundertzwanzig zum Teil nie gezeigte Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten der Künstlerin Louise Bourgeois prägen vom 12. März bis 5. Juni eine einzigartige Retrospektive. Bourgeois, 1911 in Paris geboren, hat im Verlauf ihrer nun siebzig Jahre währenden Karriere die Familie in den Mittelpunkt gestellt. Seit 1938 in New York ansässig, hat sie ein Werk geschaffen, das ihr einen Platz unter den großen Bildhauern der Gegenwart sichert. Speziell ihre Verletzungen, hervorgerufen durch einen dominanten Vater, waren Impulsgeber für eine Kunst, die sämtliche freudianischen Klischees aufgriff, derer sie habhaft werden konnte. Louise Bourgeois hat sich an ihnen abgearbeitet und sie entweder verstärkt oder gebrochen.
Bei alldem ist Bourgeois etwas Bemerkenswertes gelungen: Sie hat Massenkunst hergestellt, die sehr hermetisch ist. Ihre Werke sind für jeden auf Anhieb verständlich, und bleiben gleichzeitig komplett rätselhaft. Bourgeois bietet offenkundige Deutungen an und lässt den Betrachter im selben Moment völlig im Unklaren darüber, ob diese Deutungen auch tatsächlich zutreffend sind.
In enger Zusammenarbeit mit dem Studio Louise Bourgeois findet in Bielefeld die zweite Bourgeois-Ausstellung seit 1999 statt, die eine von 2007 an geplante große internationale Retrospektive der Künstlerin vorwegnimmt.
»Josef Albers und László Moholy-Nagy. Vom Bauhaus zur Neuen Welt« zeigt vom 25. Juni bis 1. Oktober zwei herausragende Experimentatoren des 20. Jahrhunderts, die sich umfänglich der modernen Gesellschaft gewidmet haben. Beide Künstler waren nebeneinander, von 1923 bis 1928, im Dessauer Bauhaus als Lehrer tätig. Albers, der für seine »Hommage an das Quadrat« bekannt ist, und Moholy-Nagy, dessen Fotogramme wie kaum andere Werke die avantgardistische Fotokunst geprägt haben, präsentieren ein vorrangig geometrisch abstraktes Werk.
Die Ausstellung untersucht in einer chronologischen Abfolge von zweihundert Gemälden, Skulpturen, Installationen und Fotografien die gesamte Entwurfsarbeit beider Künstler von 1922 bis 1946, dem Todesjahr von Moholy-Nagy. Sie findet in Kooperation mit der Tate Modern in London statt und wird nach ihrer Station in der Kunsthalle Bielefeld im Spätherbst 2006 im Whitney Museum of American Art in New York gezeigt.
Die letzte Ausstellung des Jahres widmet sich vom 29. Oktober bis 21. Januar 2007 dem Surrealisten Paul Delvaux und seinen weiblichen Traumfiguren. Seine Bilder zeigen einen jungen, feenhaften Frauentypus mit blonden langen Haaren und dunklen Augen. Wie Statuen stehen die Figuren in einem perspektivisch stark in die Tiefe führenden Raum. Über die Erotik dieser meist unbekleideten Wesen, über ihr Verhältnis zur Psychoanalyse, zum Christentum wie zur männlichen Sexualität ist viel geschrieben worden. Delvaux hat seinen Frauen nicht nur eigentümliche, von de Chirico und Magritte beeinflusste Bildräume, sondern Spiegel, Schädel und Lokomotiven als Allegorien zugeordnet.
Es werden fünfzig Gemälde und vierzig Zeichnungen aus sämtlichen Schaffensphasen, darunter ein Dutzend Leihgaben aus den großen internationalen Museen gezeigt.
Öffnungszeiten: täglich von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 11 bis 21 Uhr, samstags von 10 bis 18 Uhr, montags geschlossen.

Artikel vom 07.01.2006