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»Ich biete - wenn Sie die Tasche weglassen!«

Auktion bei »Bring's und Kauf« brachte 611,80 Euro

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). Niemand weiß, was eine »Grøntsags Vugge« ist, aber was macht das schon - ganz sicher ist der Bielefelder, der am Samstag grøntsagbevuggt von dannen zog, jetzt der glücklichste Mensch der Welt. Das ominöse Küchengerät (?) wurde bei »Bring's und Kauf« versteigert.

Mit Elan und einer gehörigen Portion Ironie verschleuderte Christian Presch, Bielefelds bekanntester Auktionator und Vorstandsvorsitzender der AG des Kaufhauses am Johanneskrankenhaus, etwa 150 Artikel. Egal, ob es sich um Wein der Marke »Schädelspalter« oder um ein veritables Teleskop handelte, um beleuchtete Pfeffermühlen oder den Reprint einer 500 Jahre alten Weltchronik - das Einstiegsgebot betrug immer einen Euro.
Am Ende freuten sich Presch und Sozialpfarrer Eberhard Hahn über eine mit 611,80 Euro prall gefüllte Kasse. Das Geld der traditionellen Versteigerung - ungeliebte Weihnachtsgeschenke und Firmenpräsente -Ê kommt in diesem Jahr dem Beschäftigungsfonds zugute, einer Einrichtung des evangelischen Kirchenkreises, die gegen die Arbeitslosigkeit kämpft. »Wir werden in diesem Jahr sieben Arbeitsplätze schaffen, deren Finanzierung zwar gesichert ist, für die aber noch Geld eingespielt werden muss«, erklärte Pfarrer Hahn.
Kirche und Politik schreiten da Seit' an Seit': Britta Haßelmann von den Grünen wollte unbedingt eine Rosenschere haben, verlor aber das Bietergefecht, und darf darob in ein Gläschen Cabernet Sauvignon weinen (zur Mafiatorte aus ihrem brandneuen Pizzaform-Set, 3-tlg.). Thimo (12), der mit seinen Geschwistern Tanja (14), Tarik (9) und Tjorven Finn (5) samt Mama Heike Kloidt-Wörmann und Papa Achim aus Jöllenbeck anreiste, erbeutete vom Taschengeld eine Kombination aus Armreif und Uhr, eine Wanduhr und ein Miniradio - und bekam noch den Arminenprofi Fatmir Vata (handgesägt plus Autogramm) von einer finanziell potenteren Dame geschenkt.
Eine Bieterin wollte nur dann einen Euro hergeben, wenn Presch eine faltbare Plastiktasche von bedenklicher Ästhetik aus dem feilgebotenen Konvolut entfernte, was Versteigerern ungeahnte Möglichkeiten eröffnet (»für Ihre 100 Euro kriegen Sie - nix!«). Ein anderer fragte an, ob die Alarmuhr auch komplett mit Wecker sei . . .
Margret Marinkovic hätte für ihren Enkel Fabio allzu gern den von allen DSC-Spielern signierten Fußball gehabt, der jedoch für 32 Euro an ihr »vorbeigeflankt« wurde. Und der geschichtlich interessierte Hermann Schlüter hätte zur Weltchronik gerne den zwölfjährigen Whisky gehabt, nahm aber mit einem Oberhemd vorlieb.
»Bei Parfüm erlebt man zuviele unangenehme Überraschungen«, meinte WESTFALEN-BLATT-Leserin Yvonne Zoske, die jetzt alle acht »Weihnachtsgeschenk-Recycling-Versteigerungen« (Presch) mitgemacht hat, zur Begründung ihrer Zurückhaltung. Die Flasche Allerweltsduftwasser, von Presch mit »güldenem und sülbernem Geschmeide« aufgewertet, fand also eine unempfindlichere Nase.
Am Ende waren's alle zufrieden, auch der, der seinen Durst jetzt mit Trüffelsahnelikör aus der glockenförmigen Flasche stillen wird. Zwar wurde ein futuristischer Brieföffner von einem ganz jungen Krimifan als »Mordwaffe« identifiziert, aber wenn's dem Arbeitsmarkt hilft. »Wir danken allen Bietern für ihre Großzügigkeit«, sagte Pfarrer Hahn erfreut.

Artikel vom 09.01.2006