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Wunden lecken im DSV-Lager

Trainer Rohwein fordert Trotzreaktion bei Weltmeisterschaft

Bischofshofen (dpa). Nach dem Absturz bei der Vierschanzentournee suchten die deutschen Skispringer schnell das Weite, doch viel Zeit zum Wunden lecken blieb nicht.

Zwei Tage nach dem turbulenten Herzschlagfinale mit erstmals zwei Gesamtsiegern begannen bereits die Vorbereitungen für die Skiflug-Weltmeisterschaft am Kulm. »Jetzt müssen wir uns erst einmal wieder aus dem Tal rausholen. Es muss unser Ziel sein, bei der Medaillenvergabe im Team-Wettbewerb dabei zu sein. Dafür müssen aber vier Leute gute Leistungen bringen«, forderte Bundestrainer Peter Rohwein von seinen in die Kritik geratenen Schützlingen eine Trotzreaktion bei den Titelkämpfen am kommenden Wochenende.
Das schlechteste Tournee-Ergebnis seit 14 Jahren hat Diskussionen um Strukturen und Personen im Verband ausgelöst. »Peter Rohwein wird als Chef nicht voll unterstützt«, kritisierte RTL-Experte Dieter Thoma. Der Tourneesieger von 1989/90 warf dem Deutschen Skiverband (DSV) zudem vor, nur Ja-Sager zu akzeptieren und damit im eigenen Saft zu schmoren. »Wer eine eigene Meinung hat, wird außen vor gelassen«, sagte Thoma. Der viermalige Tourneesieger Jens Weißflog, der sich diesen Rekord nun mit Janne Ahonen teilt, stellte sich hinter Rohwein. »Ich sehe derzeit keine Alternative zu ihm«, erklärte er.
Um den Rückstand auf die Weltspitze kurzfristig zu minimieren, schickte Rohwein seine Springer gestern bereits wieder auf die Schanze. Lediglich Alexander Herr, der beim Finale in Bischofshofen mit Rang sieben erstmals in dieser Saison überzeugt hatte, gönnte er eine Pause. »Wir ziehen unser Training durch. Wir müssen die Dynamik im Absprung verbessern, damit wir beim Skifliegen ein Stück näher an die Leute ran kommen, die das beherrschen«, sagte Rohwein.
Dies trifft in erster Linie auf die glanzvollen Tourneesieger Jakub Janda und Janne Ahonen zu, die trotz ihres Triumphes auf eine Party verzichteten. Janda, der 35 Jahre nach Jiri Raska als zweiter Tscheche ganz oben stand, fuhr noch Freitagnacht nach Hause. Ahonen flog wenige Stunden später gen Norden. »Feiern werden wir später, jetzt steht erst einmal die Skiflug-WM auf dem Programm«, sagte der Finne, der sich besonders über seinen Rekordsieg freute. »Das bedeutet für mich eine Menge, denn als Kind war Jens Weißflog mein Idol. Das ich es geschafft habe, ist einfach großartig«, sagte der 28-Jährige aus Lathi.
Die Deutschen standen bei der Siegerehrung wehmütig am Rande. »Im Moment sind wir nun mal nicht Skisprungnation Nummer eins. Es bedarf vieler Anstrengungen, damit das Bild in der Öffentlichkeit wieder geradegerückt wird«, stellte Weißflog fest. Ähnlich bewertete Rohwein das Abschneiden. »Die Plätze zehn für Georg Späth und elf für Michael Uhrmann sind nicht zufrieden stellend. Wir hatten uns ausgerechnet, aufs Podest zu springen. Das waren berechtigte Erwartungen, weil Uhrmann dies im Weltcup drei Mal gelungen war. Die Vierschanzentournee hat aber andere Vorzeichen, da ist doch mehr Druck da. Damit müssen wir cooler umgehen«, bilanzierte der Bundestrainer.
Rohwein ist nicht zu beneiden, kann er derzeit doch nur auf Uhrmann, Späth und Herr bauen. Martin Schmitt und Michael Neumayer sind Wackelkandidaten. »Es wäre natürlich beruhigender, ein, zwei Springer in der Hinterhand zu haben, die das Niveau haben. So müssen wir uns darauf konzentrieren, die vier, fünf Athleten so fit wie möglich zu machen, damit sie bei der Skiflug-WM und den Olympischen Winterspielen bestehen können«, sagte Rohwein.

Artikel vom 09.01.2006