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»Die Fußball-Weltmeisterschaft
ist ein nationales Ereignis«

DFB-Präsident Theo Zwanziger zu Gast bei Freunden in Gütersloh

Von Hans Peter Tipp (Text)
Gütersloh (WB). Die Fußball-Weltmeisterschaft ist keine Privatsache des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sondern eine nationale Angelegenheit. Für diese Sichtweise warb Dr. Theo Zwanziger, geschäftsführender DFB-Präsident, gestern als Ehrengast beim 17. Neujahrsempfang des Gütersloher Kreissportbundes.

In freier Rede und mit wohltuend deutlichen Worten, die manch anderen Funktionären nicht gegeben sind, sprach Zwanziger in Gütersloh über Wert und Wesen des deutschen Fußballs im beginnenden WM-Jahr 2006.
Zudem bekannte sich der 60 Jahre alte Fußballfunktionär eindeutig zur sozialpolitischen und gesellschaftlichen Verpflichtung des Sports, der mitten in der Gesellschaft stehe: »Der Mannschaftssport ist das wahre Leben. Hier kannst du es lernen«, sagte er den geladenen Gästen. Im Mittelpunkt des Vortrags standen aber natürlich Überlegungen und Gedanken zum größten Sportereignis des Jahres, der Fußball-WM.
Zwanziger sieht die Ausrichtung dieses Spektakels als nationale Aufgabe. Jeder einzelne Deutsche könne sich im wiedervereinigten Land als weltoffen und freundlich präsentieren: »Überall wird jemand mit einer Kamera oder einem Mikrofon stehen und nach dem Bild der Deutschen suchen: Da kann sich keiner drücken«, meinte der DFB-Präsident: »Nur wenn wir begreifen, dass die Fußball-Weltmeisterschaft ein nationales Ereignis für unser Land ist, wird sie ein Erfolg. Und dabei geht es nicht um den des Deutschen Fußball-Bundes, sondern um den der Gesellschaft: dass wir uns als Patrioten, aber nicht als Nationalisten zeigen dürfen.«
Völlig verständnislos reagierte Zwanziger auf die jüngste Kritik deutscher Verbraucherschützer. Sowohl in der Frage der Optionstickets (»Nicht anderes, als der Versuch, sich selbst darzustellen.«) als auch bei vermeintlichen Sicherheitsmängeln in den WM-Stadien, auf die die Stiftung Warentest (»Kannte ich bislang nur im Zusammenhang mit Kühlschränken und Staubsaugern«) hingewiesen hatte, blieb der Fußball-Boss kompromisslos.
Dennoch werde »die WM ein Stück Freude in die Häuser bringen« , sagte Zwanziger voraus: »Es wird eine tolle WM, und die Menschen werden sie mit großer Begeisterung annehmen.« Aber die Weltmeisterschaft soll für den DFB nicht das Ende, sondern erst der Anfang einer Entwicklung sein, wie Zwanziger deutlich machte: »Danach geht es erst richtig los.«
Den Vereinen kündigte er dank der belebenden Wirkung einen weiteren Mitgliederboom an, von dem vor allem der Mädchenbereich profitieren werde: »Wir sind überzeugt, dass die WM einen neuen Schub gibt. Das Ausmaß hänge jedoch vom Abschneiden der deutschen Mannschaft ab.«
Und auch das gehört zu Zwanzigers WM-Plan: Künftig soll in deutschen Schulen wieder mehr gekickt werden. Am Rande des Empfangs konkretisierte Zwanziger eine Offensive, die der Verband unlängst angekündigt hatte. Geplant ist, eine Schulsportabteilung beim DFB zu gründen und diese hauptamtlich zu besetzen.
Nach der Weltmeisterschaft soll dann das Konzept der Eliteschulen des Sports aus dem Osten auf den Westen übertragen werden. Insgesamt, so Zwanziger, könnten unter finanzieller Hilfe des Verbandes und mit Unterstützung der Jugendleistungszentren der Bundesligisten bundesweit 30 Fußballklassen für Jungen und sechs für Mädchen eingerichtet werden. Das werde dem Leistungsbereich helfen. Zusätzlich wolle man auf die Kultusministerien zugehen und auf die Lehrpläne einwirken. Das komme dann dem Breitensport zu Gute.

Artikel vom 09.01.2006