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Die »neuen Alten« werden
von der Werbung geliebt
Immer mehr Spots und Plakate mit der »Silver Generation« - und für sie
Peter Steiners Werbespot ist vielen Fernsehzuschauern auch nach gut zehn Jahren noch in Erinnerung.
Mit einer Tafel Schokolade saß der alte Mann mit dem langen weißen Bart und der Sonnenbrille auf einer Alm und warnte »Vorsicht, it's cool, man«.
Volksschauspieler Steiner war einer der ersten älteren Leute in der Werbung. Heute spielen Rentner und Pensionäre in der Reklame in allen Medien eine wichtige Rolle und sind manchmal sogar ihre Stars. Da tanzt ein altes Ehepaar durch eine Fahrkartenwerbung, drei betagte Schwimmerinnen unterstützen die Image-Kampagne von Rheinland-Pfalz und der »Wellengott« eines Urlaubshotels ist deutlich jenseits der 60. Und als Schauspielerin Christa Peters vom Media-Mark als »Mutter aller Schnäppchen« in Szene gesetzt wurde, war sie bereits 87. An diesem Sonntag wird die gebürtige Swinemünderin 90 - vor der Kamera steht sie nach wie vor.
Stefan Arend, Geschäftsführer der Mediana-Gruppe in Fulda, sammelt seit gut zehn Jahren solche Werbeanzeigen und stellte sie jetzt auch in seinem Pflegestift in der Bonifatiusstadt aus. »Das sind die schönsten, skurrilsten und bemerkenswertesten Werbungen und Anzeigen«, sagt er.
Die Perspektive habe sich in den vergangenen Jahren geändert: Noch vor ein paar Jahren sei die Kaufkraft der älteren Generation verkannt worden. »Jetzt hat die Werbung die ÝSilver GenerationÜ, die ÝGolden AgersÜ oder die ÝGeneration 50+Ü entdeckt.«
Nicht nur entdeckt, sagt die Cheffotografin der Agentur »zefa visual media« in Düsseldorf, Kristina Koempel. »Die Ýneuen AltenÜ werden von der Werbung geliebt und hofiert.« Die Älteren würden »humorvoll, mit Seriosität und Weisheit« dargestellt, meint Thomas Klie, Leiter des Zentrums für zivilgesellschaftliche Entwicklung an der Evangelischen Fachhochschule in Freiburg. Wichtig sei die Erfahrung, die mit dem Alter einher gehe. Mitunter seien auch skurrile Figuren dabei. »Die gibt es in jeder Altersgruppe - die Mischung ist gut und wichtig«, betont Klie.
Interessant ist die moderne Großeltern-Generation für alle, denn sie sind aufgeschlossen und kaufkräftig. »Sie haben Geld, Zeit und konsumieren gerne«, sagt Koempel. Und die Alten von heute sind mit den Alten von vor 20, 30 Jahren kaum noch zu vergleichen. »Man sieht ihnen nicht mehr an, dass sie alt sind«, sagt Klie. Ein Mitsechziger gehöre heute noch lange nicht zum alten Eisen. Sie sind modern und sie verhalten sich modern - ihren Kindern gegenüber genauso wie unter Gleichaltrigen.
Und die über 60-Jährigen tun einiges dafür, dass sie fit und gesund bleiben. Zudem erhalten sie sich nach den Worten der Fotografin Koempel ihren Sexappeal, auch jenseits der Jugend. Probleme haben nach Klies Erfahrung oft die jungen Macher in den Werbeagenturen mit den Alten. »Das ist eine kulturelle Differenz«, hat er festgestellt.
Der Professor fordert, sich realistisch mit der Zielgruppe auseinander zu setzen. Denn die Alten werden nun einmal immer mehr. Studien belegen, dass sich die Lebenserwartung mit jedem Jahr verlängert. »Das ist der berühmte demografische Wandel«, sagt Arend. Die Vorstellungskraft und die Begrifflichkeiten reichten heute noch nicht aus, um sich die gealterte Bevölkerung vorzustellen. »Die Märkte müssen sich auf die Senioren und ihre Bedürfnisse einstellen«, meint er.
Das letzte Drittel des Lebens müsse in Zukunft als etwas ganz Normales dargestellt werden. »Denn wir können uns gegen vieles wehren - aber nicht gegen das Alter.«
Verena Wolff

Artikel vom 14.01.2006